Interview Lisa Fitz
MM: Du bist seit über 30 Jahren im Showgeschäft erfolgreich. Wie schwer war es fürdich, diese Karriere für deine Biographie zusammenzufassen?
LISA FITZ: Anfangs war das, als sollte ich einen riesigen Erdhaufen mit einem Teelöffel abtragen.Die rettende Vision war dann, mein Leben in Bildern zu sehen – und als ich diese Bilder vor mir sah, kam ich mit dem Schreiben kaum mehr nach.
MM: Was hat dich dazu bewogen, dieses Buch zu schreiben?
LISA: Ich hatte Lust dazu und ich war nicht sicher, ob ich die später auch noch haben würde – und vor allem, ob’s dann noch wen interessiert. Mick Jagger soll auf die Frage, warum er keine Biografie geschrieben hat, gesagt haben: „Alles vergessen.“ Wer weiß, ob das bei mir in zehn Jahren nicht auch so ist? Also besser jetzt als nie.
MM: Du sprichst davon, dass der Bezug zum Text bei dir immer größer war als zur Musik. Wie genau meinst du das?
LISA: Ich habe meine ersten Songs mit 13 geschrieben, Tagebuch ab zehn. Texte schreiben ist für mich seelische Gesunderhaltung, ich will und muss mich dem Papier und anderen Menschen Erkenntnisse mitteilen. Und ich kann das mit Zettel und Stift in jeder Lebenslage tun. Mein Intellekt ist hier überkreativ. Für Kompositionen brauche ich mehr meditative Ruhe und vor allem andere Leute, Studios, Produzenten, Arrangeure – auch, weil ich es bislang versäumt habe, mein Home Recording gut auf die Beine zu stellen. Selber schuld.
MM: Als Jugendliche wurdest du selber von der Beatlemania mitgerissen. Denkst du, dass diese Faszination um eine Band heute noch in der Art möglich ist?
LISA: Ja klar, so ein Hype entsteht immer wiedermal – aber die Halbwertszeiten der Hypes werden immer kürzer, weil der Hype heute zu 100% aus einer PR-Maschinerie und Musik-Industrie gespeist wird, die den Künstler auspresst und dann wegwirft. Es ist für einen Künstler immens wichtig, verstehen und nachvollziehen zu können, was mit ihm gemacht wird und warum. Er muss die Mitte finden zwischen Zugeständnissen an Vermarktung und Authentizität. Ohne die rutscht er in den Felsspalt zwischen Image und seiner eigenen Künstlerambition und versinkt darin – in Form von Sucht, Depression, Absturz, Misserfolg u. Ä.
MM: Wer Karriere machen will braucht Förderer. Welche Möglichkeiten hat man als junger Künstler, Kontakte zu knüpfen?
LISA: Zuerst mal muss man überall, wo es nur geht, Kollegen suchen und die regelrecht ausquetschen und alles fragen, was einem einfällt – jeden Musiker, Komponisten oder auch Amateur-Produzenten, der greifbar ist. Bei Konzerten Künstler fragen, die weiter sind als man selbst, Kontakte aufbauen und pflegen, Kommunikation ist hier alles. Denn jeder Kontakt öffnet Türen zu weiteren Kontakten. Das fängt bei der Amateurband, die im Heimatort gastiert, an.
MM: Welche Tipps kannst du jungen Musikern sonst noch geben?
LISA: Geradezu penetrant von sich und seiner Berufung überzeugt zu sein. Das „Ich will“ ist der zentrale Impuls. Wissen, was man will, wohin man will, was man machen möchte bzw. sich dessen bewusst zu werden, ist das A und O. Denn ohne eine klare Vision schaffst du auch die kleinen Etappenziele nicht und bleibst bald aufder Strecke, weil die Freunde, Familie, Nachbarn dir das ausreden wollen. Es wäre also auf jeden Fall zielführend, eine Berufung, einen RUF in sich zu spüren oder dieses Pflänzchen zu gießen. Und mit niemand darüber zu sprechen, von dem man weiß, dass er einem das ausreden will.
MM: Welche Attribute sollte man mitbringen,um sich langfristig im Musik-/Medienbusiness durchzusetzen?
LISA: Außer Talent und Fleiß eine gewisse Penetranz. Man darf sich nie – nie! – doof oder zugut vorkommen, wenn man Klinken putzt. Der Wille, bekannt, berühmt, erfolgreich zu werden, sollte stärker sein als die Schüchternheit und die Scham – ich meine dieses Einknicken vor irgendwelchen Fuzzis u’ Sesselpupsern, die vielleicht zwei Jahre später gar nicht mehr auf ihrem Sessel sitzen. Die haben auch alle mal klein angefangen. Kurzfassung: Fleißig und frech sein!
MM: Zurück zu dir: Inwiefern hast du dich in all den Jahren künstlerisch weiterentwickelt?
LISA: Mein Qualitätsbewusstsein ist mit den Jahrengewachsen, außerdem mein Fleiß (ich war früher viel fauler) und mein Mut. Ich war mit 20 rechtgehemmt, nicht sexuell, aber im künstlerischen Selbstausdruck, ich war voller Träume, aber ohne wirklichen Mut, etwas davon auf die Bühne zubringen. Theaterrollen haben mir sehr geholfen, mich zu enthemmen, und gesamt 13 – oder waren’s 15? – Kabarettprogramme haben mich mutig gemacht. Insgesamt – ich habe mal nachgerechnet,waren es bisher um die 3 000 Soloabende. Also, wenn man’s dann nicht gelernt hat … Heute kannst du mich vor 5 000 Leute stellen und sagen: Schrei mal laut, als ob dich jemand prügeln würde – oder lach laut wie eine Irre – und jetzt heule, als ob jemand gestorben wäre. Das mach ich dir ohne Anlauf.
MM: Du schreibst die Texte für deine Bühnenprogramme weitgehend selbst. Kümmerst du dich auch um die Inszenierung?
LISA: Beim Kabarett gibt es keine große Inszenierung. Man steht,wie auch als Musiker/in, meist an einem Ort oder rennt bisschen hin und her – sitzt auf dem Barhocker oder beim Tisch und spricht oder singt. Oft renn ich in die Zuschauer runter und mache Kaspereien. Als Schauspieler brauchst du eine Inszenierung, als Kabarettist/Musiker eher nicht. Aber ich arbeite immer wieder mit Patrizia Moresco, einer Comedian-Frau, früher Chefin der Truppe Shy Guys, jetzt Solokünstlerin, die guckt dann auf meine Werke, macht nötige Text-Striche und hilft mir, meine Nummern auf die Bühne zu bringen, mit Tipps für Mimik, Gesten und Gags. Es ist wichtig, dass das Programm von außen gesehen und beurteilt wird (von einer Person des Vertrauens), bevor es vor ein Publikum kommt. Man sieht sich ja selber nicht – außer man macht ein Video, das lässt einen aber u. U. verzweifeln – also besser ein/e Regisseur/in.
MM: Was darf bei einer guten Bühnenshow auf keinen Fall fehlen?
LISA: An erster Stelle eine gute Tontechnik und gutes Licht. Ich arbeite mit meinem Techniker Alfred Hofmaier aus Regensburg nun schon fast 30 Jahre zusammen. Ist das nicht toll? Da hat’s auch mal gerappelt in der Kiste und es wurde gefetzt, aber er kennt mich bis in meine hinterste Stimmbandritze, und wenn ich heiser oder angeschlagen bin, fühle ich mich bei ihm sicher aufgehoben. Er nimmt mir eine Menge Stress ab, wenn er dabei ist. Mein Lebenspartner Peter fährt als Tourleiter, Chauffeur und Lichttechniker mit, das spart Verschleiß. Und weil er mich hübsch haben will, kann ich mich auch auf allerbestes Licht verlassen. Beide Männer sind über1,90 groß, tolle Burschen, da fühlt man sich in guten Händen und absolut sicher. Viele etablierte Kabarettisten-Kollegen fahren hier das Sparprogramm und sind solo unterwegs – aber ich genieße diesen professionellen Service. Er sorgt dafür, dass ich als Künstlerin nicht ausbrenne und langfristig haltbar bleibe. Und wenn du schaust, wer von den älteren Kollegen nach 40 Jahren noch auf der Bühne steht, alkohol- und drogenfrei und nach wie vor im Fern sehen präsent ist, da wird es dünn mit der Auswahl. Gleichaltrige Kolleginnen gibt’s gar keine, weil ich lange Jahre die einzige Kabarettistin war.
MM: Hast du ein Rezept gegen Schreibblockaden?
LISA: Ich habe nie Schreibblockaden, ich kenne das nicht – ich finde das neurotisch. Man setzt sich hin und schreibt – und das ist eben mal schlechter und mal besser. Man speichert es ab und wenn es einem später nicht gefällt, dann löscht man es. So what? Man soll nicht so ein Buhei um seine “Kunst“ machen. Wenn ich einen schlechten Tag habe, mies drauf bin, aber unbedingt schreiben will, dann lese ich ältere Texte von mir oder höre mir eigene Aufnahmen an, die ich gut finde. Dann bin ich schnell wieder drin. Und: der Spruch für Autoren und Komponisten:„You can fix it later.“ (Den Satz habe ich von Sandrina Sedona aus München, die ich jedem als Gesangscoach ans Herz legen kann. Es ist noch niemand von ihrem Coaching gekommen, der keinen Quantensprung erlebt hätte!) „Youcan fix it later“ heißt, du kannst deinen Song oder Text später immer noch reparieren und optimieren. Es muss kein Wunderwerk ad hoc vom Himmel fallen.
MM: Jedes deiner Bühnenprogramme stehtunter einem zentralen Thema. Wie entscheidest du dich für eine Thematik?
LISA: Das ist immer ein längerer Prozess mit den Fragen: Was liegt mir zurzeit am Herzen? Was davon könnte auch andere Menschen interessieren? Welches Thema ist noch nicht von Kollegen besetzt? Und wird das auch in zwei Jahren noch aktuell sein? (Meine Kabarettprogramme laufen über zirka drei Jahre in allen deutschsprachigen Ländern).
MM: Als bekannte und geschätzte Kabarettistin musst du eine gewisse Erwartung erfüllen. Wie gehst du mit diesem Druck um?
LISA: Also – der ist mir egal … geworden. Früher habe ich mich vor jeder Premiere in ein bibberndes Nichts aufgelöst. Mittlerweile sage ich: Wenn’s ihnen nicht gefällt, sollen sie heimgehen, ham sie halt Pech gehabt. Natürlich wäre das fatal, wenn es niemandem gefiele, aber so vollkommen vertut man sich nach so vielen Jahrzehnten Berufserfahrung auch nicht mehr. Durch eben diese Erfahrung hat man einen Level erreicht, unter den man nicht mehr wirklich fällt, es sei denn, man wird dement oder drogensüchtig oder so was.
MM: Wie oft trittst du momentan mit deinem aktuellen Programm auf?
LISA: Ca. 100- bis 120-mal im Jahr.
MM: Dein Tourleiter ist Peter Knirsch. Was macht für dich eine erfolgreiche Zusammenarbeit aus?
LISA: Peter ist mein Lebenspartner und Maler(www.peter-knirsch-pako.com). Er ist nicht nur Tourleiter und Lichtmann, sondern „Mann für alles“. Wir sind ein Paar – und das ist Freud und Leid. Einerseits schön, weil der Partner dabei ist, anderseits nervt man sich auch zuweilen unter Stress. Aber wir sind da sehr professionell geworden, wir leben ja nun schon 11 Jahre zusammen.
MM: Müsst ihr Veranstalter überzeugen, dich zu buchen, oder wenden sie sich an dich?
LISA: Beides. Veranstalter kommen mit Terminanfragen von selbst, aber die (professionelle) Akquise mit Newsletter und viralem Marketing gehört heutzutage unbedingt dazu. Man kann nicht mehruntätig rumsitzen und warten, dass alle anrufen. Es gibt sehr viel Konkurrenz, gegen die man bestehen will und muss. Ich habe eben einen Agenturwechsel vollzogen, weil meine Visionen und Ziele und Ansprüche, auch hinsichtlich Marketing und PR, mit denen meiner Agentin nichtmehr kompatibel waren, aus vielen Gründen. Wir haben aber sehr lange sehr gut kooperiert und nach 20 Jahren ist das wie eine Scheidung. Ich habe dann kurzfristig damit geliebäugelt, mein Booking selbst zu machen, habe das aber nach sechs Wochen verworfen. Ich würde alle Verträge verlegen, Termine durcheinanderbringen und wahrscheinlich schlechte Deals machen, weil alle am Telefon so nett sind. Ich denke, Künstler sollten keinesfalls für sich selbst verhandeln.
MM: Traumberuf: Künstler. Siehst du das ähnlich? Welche Schattenseiten gibt es?
LISA: Du musst mit Erkältung & Fieber auf die Bühne, du musst da oben 1000%ig gut draufsein oder so tun, Schwächen interessieren niemanden,nur das Entertainment und das Meistern der Schwächen. Die Schattenseite der Popularität z. B. sind u. a. der Verlust der Privatsphäre, sobald man sich in die Öffentlichkeit begibt, das Funktionieren müssen und immer so tun, als sei man bester Laune, (sonst ist man gleich „arrogant“) – immer stark sein müssen – und dass jeder miese Pressebericht, jeder Fehler, den man als Künstler oder Mensch gemacht hat, einstweilen jahrelang im Web herumgeistert. Eine öffentliche Person zu sein, dazu braucht man ein breites Kreuz. Ich möchte z. B. nicht Britney Spears sein oder eines dieser armen Mädels, die, kaum dass sie aus dem Haus gehen, von einem Pressepulk verfolgt werden. Das ist kein Leben mehr. Bei mir beschränkt es sich auf die ungenierte Anglotze rei an Tankstellen, in Restaurants und beim McDonald’s oder so. Aber der Beruf Künstlerin ist und bleibt mein Traumberuf. Ich mache genau das, was ich will – mein Beruf ist meine Berufung.
MM: Gibt es rückblickend Erfahrungen, auf die du gerne verzichtet hättest?
LISA: Erfahrungen nicht, die waren alle interessant, privat auf jeden Fall – ansonsten hätt’ ich mir beruflich den Dschungel sparen können. Andererseits habe ich in der Folge dieser Staffel dann die Haupt- und Titelrolle in der Serie „Die Gerichtsmedizinerin“ bekommen, somit hat sich dadurch dann auch ein Traum erfüllt. Also … es gibt eigentlich nix Schlechtes. Und es ist halt so: An Erfahrungen reift man, aus Fehlern wird man klüger und ich werde wahrscheinlich immer ma wieder ausbrechen und irgendwas Grenzwertiges oder Verrücktes tun, was mir persönlichen Spaß macht – einfach auch deshalb, weil mir ein reines Kabarettisten-Dasein mit einem dauererigierten Zeigefinger zu öde wäre.
MM: Social Media wird immer wichtiger, um sich selbst und seine Produkte zu bewerben. Wie stehst du dieser Entwicklung gegenüber?
LISA: Ich benutze Facebook, XING, Twitter, LinkedIn etc. als PR-Werkzeug, es kostet nichts und hilft bei der Vermarktung oder um gesellschaftspolitische Statements abzugeben. Privat interessiert es mich kaum.
MM: Beim letzten Interview mit dem MusikerMagazin hast du von deinem Projekt der„Ersten Münchner Kabarettschule“ erzählt. Konntest du deine Vorstellungen bisher umsetzen?
LISA: Die Kabarettschule wurde im Juni 2012 gegründet, als Patent angemeldet und hatte seither zirka 50 Schüler. Der Unterricht läuft in Form von Workshops ab. Einige Teilnehmer davon gehen schon den Weg auf die Bühnen, andere bibbern noch bisschen rum. Sogar ein Minister hat schon teilgenommen und die Tochter eines sehr bekannten Kabarett-Altmeisters. Aber auc hier zeigt sich: Weiter kommen nur die, die wirklichden Willen dazu haben!
MM: Du bist für viele Leute ein Vorbild. Hast du selbst musikalische Idole oder Vorbilder?
LISA: Vorbild war mein Großvater Hans Fitz, der Begründer der Künstlerfamilie Fitz. Er war Autor, Rezitator, Sänger und Lautenspieler. Ihn habe ich mir als Vorbild für meine Berufswahl genommen, neben meinen Eltern, die auch Künstler waren. Tina Turner finde ich toll – als Sängerin, als Künstlerin, als Mensch. Aber mich inspiriert eigentlich fast jeder und alles, was ich sehe, auch die schlechten Künstler. Meine Kreativität kann sich an allem entzünden, was ihr ins Blickfeld gerät.
MM: Was sind deine nächsten Projekte?
LISA: Erst mal mit meiner neuen Agentin Heidrun Abels klarkommen, unsere gemeinsamen Ziele definieren und uns einarbeiten. Und dann geht’ ja schon wieder ans nächste Programm … Titelsuchen, Fotos machen, Plakate und Werbematerial entwerfen (lassen) – Texte und Songs schreiben … und lernen. Vorher müssen Notizen, gesammeltes Material und Textideen gesichtet werden,ein grausamer Prozess. Aber wie immer: Irgendwann kommt Licht ins Dunkel, die Spreu trennt sich vom Weizen und es wird ein Programm draus!
INTERVIEW:
JANA MOYSICH,OLE SEELENEMYER