Wie viele Menschen sind infolge der Corona-Impfung bisher in Europa gestorben?
Von Ekkehard Sieker, Wissenschaftsjournalist
Januar 2022
Die Kabarettistin Lisa Fitz hat am 10. Dezember 2021 in der Sendung Spätschicht im SWR diese wichtige Frage ins öffentliche Bewusstsein gehoben, als sie in der Kabarettsendung behauptete, allein in der EU seien
„die Folgen durch die Covid-19-Impfstoffe“ für 5000 Menschen tödlich gewesen.
https://serv3.wiki-tube.de/videos/watch/587509dd-6ab2-44a0-8b0e-f3638a311075
Dies sei eine unhaltbare und von den Fakten nicht gedeckte Falschinformation, wie unter vielen anderen Medien auch der SPIEGEL meinte.
Lisa Fitz hat sich bei ihrer Aussage auf einen Entschließungsantrag des Europäischen Parlamentes vom 23. September 2021 bezogen, der als seine Quellen für die rund 5000 Todesfälle im Zusammenhang mit einer Covid-19-Impfung auf die Angaben der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA verweist.
https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/B-9-2021-0475_DE.pdf
Diese von der EMA angegebenen Todesfälle stammen aus Berichten zu Verdachtsfällen von Impfnebenwirkungen, also zu Fällen, bei denen der unmittelbare oder mittelbare kausale Zusammenhang zwischen Covid-19-Impfung und dem Tod des Patienten nicht sicher nachgewiesen worden ist. Die EMA schreibt dazu:
„Diese Berichte beschreiben vermutete Nebenwirkungen bei Einzelpersonen, d. h. medizinische Ereignisse, die nach der Anwendung eines Impfstoffs beobachtet wurden. Die Tatsache, dass jemand ein medizinisches Problem hatte oder nach der Impfung gestorben ist, bedeutet nicht unbedingt, dass dies durch den Impfstoff verursacht wurde. Dies kann beispielsweise auch durch gesundheitliche Probleme verursacht worden sein, die nicht im Zusammenhang mit der Impfung stehen.“
Nach der Sendung stellte der SWR einen Artikel mit der Frage ins Web:
Wenn nicht 5.000 Corona-Impftote, wie viele dann?
Der Autor blieb eine Antwort schuldig.
https://www.swr.de/wissen/corona-impftote-warum-der-umgang-mit-den-zahlen-schwierig-ist-100.html
Hier soll jetzt der Frage nachgegangen werden, ob die von Lisa Fitz am 10. Dezember in der SWR-Sendung getroffene Aussage, dass europaweit über 5.000 Menschen infolge der Impfung gestorben seien, richtig ist oder ob sie falsch ist, wie ihre Kritiker bis heute behaupten?
https://taz.de/Nach-Falschaussagen-im-SWR/!5832299/
Versuchen wir also eine Antwort:
1.) Unerwünschte Nebenwirkungen
Unerwünschte Arzneimittelwirkung (UAW) oder Adverse Drug Reaction (ADR) ist ein Ausdruck, der Schäden beschreibt, die mit der Einnahme von gegebenen Medikamenten in einer normalen Dosis verbunden sind. Die Nebenwirkungen können von leicht bis schwer reichen. Schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen sind solche, die eine Behinderung verursachen können, lebensbedrohlich sind, zu einem Krankenhausaufenthalt oder zum Tod führen oder Geburtsfehler hervorrufen.
https://www.pharma-iq.com/glossary/adverse-drug-reaction-adr
2.) Verdachtsfälle für durch Covid-19-Impfstoffe verursachte Todesfälle
Von Ende Dezember 2020 bis zum 4. Dezember 2021 hat es für die Impfstoffe von Moderna, Pfizer, AstraZeneca, und Janssen beim Europäischen Arzneimittelnetzwerk EudraVigilance der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA für alle Risikogruppen 32.652 gemeldete Verdachtsfälle für durch Covid-19-Impfstoffe verursachte Todesfälle in deren Datenbanken gegeben.
https://www.adrreports.eu/de/index.html
https://covid-crime.org/ema-numbers-12-21/
3.) Zusammensetzung dieser Verdachtsfälle
Diese über 30.000 bei der EMA gemeldeten Verdachtsfälle setzen sich aus
a) unmittelbar und mittelbar verursachten Covid-19-Impftodesfällen und aus
b) zufällig und nicht durch die Impfstoffe verursachten Todesfällen zusammen
Anmerkung:
Auf die Frage Wie werden Corona-Todesfälle erfasst? antwortet das RKI:
„Sowohl Menschen, die unmittelbar an der Erkrankung verstorben sind („gestorben an“), als auch Personen mit Vorerkrankungen, die mit SARS-CoV-2 infiziert waren und bei denen sich nicht abschließend nachweisen lässt, was die Todesursache war („gestorben mit“) werden derzeit erfasst. Generell liegt es immer im Ermessen des Gesundheitsamtes, ob ein Fall als verstorben an bzw. mit COVID-19 ans RKI übermittelt wird oder nicht. Bei einem Großteil der an das RKI übermittelten COVID-19-Todesfälle wird „verstorben an der gemeldeten Krankheit“ angegeben.“
Bei den vom RKI derzeit angegebenen über 100.000 Personen, die mit (also nicht ursächlich) beziehungsweise an (also ursächlich) dem Corona-Virus in Deutschland gestorben sind, handelt es sich – durch diese Art der RKI-Bewertung – ebenfalls um statistisch zu bewertende Verdachtsfälle.
Wenn weltweit die Zahl der Todesopfer im Zusammenhang mit dem Virus derzeit mit mehr als 5,6 Millionen Menschen angegeben wird, dann bedeutet der Ausdruck „im Zusammenhang mit“ wiederum nur, dass sich die Opferzahl aus ursächlich an Covid-19 und aus nicht-ursächlich am Virus Verstorbenen zusammensetzt. Auch hier liegen in der Gesamtheit lediglich medizinisch-statistisch zu wertende Verdachtsfälle vor.
4.) Abschätzungen
Den Anteil der tatsächlich ursächlich an der Corona-Impfung Verstorbenen kann man pharmakologisch, pathologisch oder forensisch unmöglich durch Analyse aller Einzelfälle bestimmen. Hier ist es nun wichtig, mit Hilfe von konservativen Abschätzungen von Zahlenwerten, numerischen Größenordnungen oder Wahrscheinlichkeiten zu argumentativ belastbaren Ergebnissen zu kommen.
5.) Melderaten und Dunkelziffern
Zu den Melderaten von Unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) oder Adverse Drug Reactions (ADR) und ihren Dunkelziffern (under-reported cases) gibt es nur wenige Studien. Im Jahr 2006 erschien eine umfassende britische Studie zu diesem Problem mit dem Titel:
Under-reporting of adverse drug reactions: a systematic review
Insgesamt wurden darin 37 weitere Studien aus 12 Ländern untersucht. Diese Studien führten zu 43 Schätzungen der Unterberichterstattung. Die durchschnittliche Untererfassungsrate in den 37 Studien betrug 94 %. Es gab keinen signifikanten Unterschied in den Unterberichtsraten, die etwa für Hausarzt- oder für Krankenhaus- studien berechnet wurden.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/16689555/#affiliation-1
Die allgemeine Untererfassungsrate von Arzneimittel-Nebenwirkungen ist bis heute ein ungelöstes Problem, wie auch neuere Untersuchungen zeigen.
2016 präsentierte etwa das Deutsche Ärzteblatt einen Medizinreport mit dem Titel
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen: Warum Meldungen nicht erfolgen.
Darin wird auch betont, dass, „das Verständnis für die Ursachen von Underreporting wichtig“ ist.
Das Problem des Underreporting ist offensichtlich auch zu Corona-Zeiten noch ein wesentliches Problem, wie eine relativ aktuelle Untersuchung des Verbandes der pharmazeutischen Industrie Österreichs (Pharmig) gezeigt hat. Ende April 2021 meldete der Österreichische Rundfunk ORF: Rund um Covid-19 erhielten seltene Impfstoff-Komplikationen viel öffentliche Aufmerksamkeit. Doch insgesamt gebe es in Österreich viel zu wenige Meldungen über mögliche unerwünschte Nebenwirkungen von Arzneimitteln, so Experten des Verbandes der pharmazeutischen Industrie Österreichs (Pharmig). Nur sechs Prozent der zu erwartenden Probleme würden gemeldet.
https://science.orf.at/stories/3206228/
Man kann also als konservative Untererfassungsrate einen Wert unter 90 Prozent – also zwischen 80 und 90 Prozent – der Impfnebenwirkungen annehmen; das bedeutet, dass eine Dunkelziffer etwa dieser Größe nicht erfasst wird.
6.) Anzahl verdächtiger Covid-19-Impf-Todesfälle (mit Dunkelziffer)
Den gemeldeten über 32.000 Todesfällen im Zusammenhang mit einer Covid-19- Impfung, die in der EU von Ende Dezember 2020 bis Anfang Dezember 2021 bei der EMA/EudraVigilance gemeldet wurden, entsprechen konservativ geschätzt dann etwa das Fünffache (bei 80% Untererfassungsrate) – also 160.000 Todesfälle – bzw. das Zehnfache (bei 90%) – also 320.000 Todesfälle in Europa in diesem Zeitraum.
7.) Etwaige Mehrfachzählungen in der EudraVigilance-Datenbank
Möglicherweise sind dieselben Todesfälle mitunter in verschiedenen sogenannten Reaction Groups der EudraVigilance-Datenbank mehrfach gezählt worden. Um den Faktor dieser Mehrfachzählung abzuschätzen, kann das Verhältnis aller 10,5 Millionen individueller Einzelfälle (Personen) zu über 18,6 Millionen Einzelfall-Sicherheits- berichte (ICSRs) (Fälle) in der Datenbank weiterhelfen. Diese Angaben aus dem Jahresbericht der EMA für 2020 ergeben dann eine durchschnittliche Mehrfach- zählung – bezogen auf alle Einträge – um knapp den Faktor 2 (18,6 Mio./10,5 Mio.).
8.) Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit einer Covid-19-Impfung
Wenn man nun die möglichen Mehrfachzählungen bei der Abschätzung der Zahl der einzelnen Impftoten berücksichtigt, muss man diesen Faktor 2 einbeziehen und die mögliche Zahl der Impftoten mindesten um die Hälfte verringern. Reduziert man deshalb die angegebenen 160.000 bis 320.000 Verdachtsfälle konservativ abgeschätzt nicht um die Hälfte, sondern sogar um zwei Drittel, so muss nunmehr davon ausge- gangen werden, dass zwischen gut 50.000 und 100.000 Menschen im Zusammenhang mit einer Covid-19-Impfung in Europa bisher ums Leben gekommen sind.
9.) Anzahl der Personen, die bisher wahrscheinlich ursächlich an einer Covid-19- Impfung in Europa gestorben sind
Der Chef-Pathologe des Universitätsklinikums Heidelberg, Prof. Peter Schirmacher, forderte Anfang August 2021, dass viel mehr Obduktionen von Geimpften stattfinden sollten. Nicht nur Corona-Tote, sondern auch Tote, die im zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung sterben, müssten häufiger untersucht werden. In Schirmachers Heidelberger Pathologie waren zu der Zeit bereits 40 Menschen obduziert worden, die innerhalb von 14 Tagen nach einer Covid-19-Impfung verstorben sind. Der Pathologe Schirmacher geht davon aus, dass 30 bis 40 Prozent der Toten ursächlich an der Impfung verstorben sind.
https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/mannheim/schirmacher-100.html
Offizielle Stellen – wie etwa die Ständige Impfkommission (STIKO) bestreiten die Folgerungen des Heidelberger Pathologen aus seinen Untersuchungsergebnissen lediglich mit Nichtwissen: „Ich kenne keine Daten, die hier eine begründbare Aussage zulassen und gehe nicht von einer Dunkelziffer aus“, sagte der Chef der Ständigen Impfkommission, Thomas Mertens.
Geht man unter Beachtung von Prof. Schirmachers Werten – konservativ abgeschätzt – davon aus, dass von den gut 50.000 bis 100.000 Personen, die im Zusammenhang mit einer Covid-19-Impfung verstorben sind, sogar nur zwischen 10 und 30 Prozent ursächlich an der Impfung gestorben sind, dann erhalten wir das folgende
Ergebnis:
Zwischen 5.000 und 30.000 Personen sind bislang in Europa wahrscheinlich ursächlich an der Covid-19-Impfung gestorben.
„Stimmt es, dass europaweit über 5.000 Menschen infolge der Impfung gestorben sind?“ fragte der SWR einige Tage nach seiner Sendung Spätschicht mit Lisa Fitz vom 10. Dezember 2021.
https://www.swr.de/wissen/corona-impftote-warum-der-umgang-mit-den-zahlen-schwierig-ist-100.html
Die Antwort lautet: Ja!
Zum Autor:
Ekkehard Sieker, geboren 1955, Studium der Physik, Mathematik und Philosophie, seit 1984 Fernseh- und Wissenschaftsjournalist, langjähriger Mitarbeiter der politischen Fernsehmagazine Monitor und Plusminus beim WDR, Autor verschiedener Fernsehdokumentation, Herausgeber und Autor verschiedener Sachbücher zum Thema Kernenergie, Abrüstung, Geheimdienste und Terrorismus.