Interview geführt von Dr. Harald von Herget – Vorstandsvorsitzender „Bund der Rundfunkbeitragszahler“
Was leistet Kabarett und Satire für die Demokratie?
Oh, sehr viel. Es gibt den Zuschauern Denkanstöße, zeigt gesellschaftliche und politische Missstände auf, macht sie deutlich durch satirische Überspitzung. Es befeuert den Cortex, den Denkapparat und lädt humorvoll dazu ein, erstarrte Sichtweisen aufzulockern und Dinge auch von einer anderen Seite zu sehen. Es verbietet oder fordert nichts, es drängt keinem etwas auf. Es teilt vor allem traditionell immer nach oben aus, gegen Regierung und Geldmacht – und nicht nach unten. Diese dämliche Zuordnung, an denen man angeblich „rechte“ Schwachköpfe erkennt, die sich immer über „DIE DA OBEN“ empören, genau das ist ja seit jeher die erste Pflicht des politischen Kabaretts: Darauf hinweisen, was faul ist im Staate. Natürlich kann jeder bei sich selbst ansetzen mit einer Veränderung, aber gegebenenfalls müssen auch Regierende weggespottet werden. Der Spott ist das probateste Mittel, an Stühlen zu sägen, wenn man nicht Rebell oder Revolutionärin ist. Es heißt ja: „Die Irrwege einiger Weniger stürzen immer wieder Millionen Menschen ins Verderben.“- Und da setzt Kabarett an, um mitzuhelfen, das zu verhindern.
Erfüllen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihren Auftrag? Woran erkennt man das?
Ich bin in den Öffentlich-Rechtlichen Sendeanstalten seit 1972 tätig (allererste Anfänge schon früher). Ich kenne alle Sender, alle Redaktionen, ich war in jeder Anstalt. (Das Wort gefällt mir zunehmend) Sie erfüllen natürlich in vielerlei und mannigfaltiger Hinsicht ihren Auftrag, aber sie werden zunehmend einseitiger in ihren (politischen) Narrativen, scheint mir, obwohl ich dieses Modewort nicht wirklich mag. Ihre Sichtweise und Darstellung, vorwiegend hinsichtlich der politischen Ausrichtung ist, meiner Meinung nach, nicht (mehr) auswogen. Das Fernsehen (mit seinem ursprünglichen Bildungsauftrag) loost zunehmend ab. Ich habe den Eindruck, dass gewünschte Ansichten gefördert werden und eingebunden sind in politische/ideologische Ziele. Die Auswahl der Gäste in den Talkshows und oft auch der Umgang mit ihnen ist nicht neutral und häufig auch nicht so höflich, wie er sein sollte. Wussten Sie, dass von den zur Verfügung stehenden Geldern durch Rundfunkgebühren nur ca. 19% für die Produktion der Programminhalte aufgewendet wird? Der Rest versickert im bürokratischen Wasserkopf von Gehältern, Pensionen usw. Nageln Sie mich bitte nicht wieder an der exakten Zahl fest, aber das ist schon irre, oder?
Welche Veränderungen beobachten Sie in der deutschen Medienlandschaft, welche Zäsuren fallen ihnen auf?
Thema Printmedien: Früher hat man sich z.B. als SPD-treue Künstlerin auf das Erscheinen des SPIEGELS gefreut, weil man wusste, die Regierung, egal welche, kriegt eins auf die zu hoch erhobene Nase, zumindest wurde sehr kritisch berichtet. Das können Sie heute vergessen. Die Berichte sind z.B. oft gut recherchiert und zum Teil niveauvoll geschrieben, auch sehr interessant, aber es wird kaum je unterlassen, das politische Framing & Nudging in Penetranz einzubinden. Diese ständige Wiederholung ist für freie Denker wie chinesische Folter. Also hört man auf, das jeweilige Blatt zu lesen. Man sieht es ja auch an den Verkaufszahlen und der Auflage, sie sinken.
Sie waren schon immer mutig. Sind die Reaktionen auf Ihren Mut heute andere als früher?
Ja klar, wie man an der Causa SWR sehen konnte (mein satirischer Beitrag zur Impf-Thematik 2021) oder an diversen Songthemen von mir. Man setzt sich ja oft nicht wirklich mit meinen Inhalten auseinander, sondern urteilt ab…. Zu Hildebrandts Zeiten hätte man z.B. gemeinsam mit ihm und dem Programmdirektor oder Redakteur ein Statement abgegeben und Unrichtiges korrigiert. Aber hier war die Stimmung dann völlig vergiftet. Die Presseberichte waren zum Großteil auch falsch. Ich habe mich ja nicht „vom SWR“ getrennt, sondern nur von dieser kleinen Sendung, der „Spätschicht Comedy Bühne“, die dann kurz drauf eh eingestellt wurde. Wie man mir sagte, war ich der bestlaufende YouTube Act, was deren eingestellte Beiträge betraf.
Begegnet man ihnen heute überhaupt anders als früher?
„Man“ wäre falsch, das ist ganz unterschiedlich. Die meisten Menschen und Geschäftspartner sind nett und der Umgang ist in der Regel sehr herzlich und immer professionell.
Wie erleben Sie die Veränderung der Debattenkultur in Deutschland?
Sie ist seit Corona vergiftet, gehässig, diskriminierend, hetzerisch– nicht immer und überall, aber oft. Auch respektloser. Man denke an Markus Lanz und sein unhöfliches Unterbrechen der Gäste, an seinen oft respektlosen Umgang. Ich gehe in keine Talkshow mehr. Man wird zu oft in eine Gesprächsfalle gelockt. Es werden z.B. regelrechte Anschuldigungen gemacht, weil man z.B. „unpassenden“ Leuten ein Interview gegeben hat. Wie kommen die dazu? Und wie komme ich dazu. Ich bin seit 50 Jahren in dieser Branche tätig mit der zigfachen Berufserfahrung der Moderatoren und Journalisten und ich bin niemandem Rechenschaft schuldig, wem ich ein Interview geben will. Bei 500 Interviews ist dann 2018 mal ein Mensch oder eine Plattform, ein Sender dabei, der denen nicht schmeckt und meinen Ruf ruinieren soll und an dem arbeiten sie sich jahrelang ab, degoutant. Denen brennt doch echt der Hut.
Kennen Sie Prominente, die Missstände beim ÖRR kennen, jedoch zum Schutz ihrer Karriere nichts dagegen unternehmen?
Ja, klar, viele. Ich höre aus vielen Gesprächen heraus, dass man meinen Mut und mein Rückgrat schätzt, sich das aber aus wirtschaftlichen und anderen Gründen nicht leisten kann oder will.
Falls ja: Sind diese eher die Ausnahme – oder gibt es sogar eine stille Mehrheit?
Mehrheit würde ich nicht sagen, aber es sind sicher sehr viele. Das kann ich nicht beurteilen.
Falls ja: Könnte man diese Prominenten dazu motivieren, sich am Beheben der Missstände zu beteiligen?
Ja, ich denke schon. Es werden ja immer mehr, die sich aus der Deckung trauen. Aber Sie kennen die alte Büroweisheit: „Wer kriecht, kann nicht stolpern.“ Und wie heißt es so schön: „Die Großen hören auf zu herrschen, wenn die Kleinen aufhören zu kriechen.“
Was könnten die Rundfunkbeitragszahler aus Ihrer Sicht tun, um ihre Rechte durchzusetzen?
Tja, einfach mehr werden, so viele, dass Handlungsdruck entsteht. Nicht aufgeben, durchhalten – leicht gesagt, aber schwer getan und nur möglich, wenn man eine Mission spürt, das durchzusetzen.
Sehen Sie Hinweise darauf, dass Kabarettisten vom ÖRR gezielt als „Empörungsmanager“ eingesetzt werden, die die Passivität der Rundfunkbeitragszahler fördern sollen?
Empörungsmanager …ein schönes Wort. 😊 Ja klar, zum Teil werden sie hochbezahlt und ihr Support wird unterstützt. Man nennt sie gern auch „Staatskomiker“. Von einigen österreichischen Kabarettisten weiß ich, dass sie sehr gut subventioniert werden. Ich meine damit keine „Bestechungsgelder“, es werden halt die gefördert, die regierungsfreundlich oder harmlos und ungefährlich sind, oder parteinahe, je nachdem, was der Redaktion, dem Sender gefällt. Versteht man ja auch… aber in diesen Zeiten wäre mehr Ausgewogenheit und Meinungsvielfalt – wie auch von der Landesmedienanstalt vorgegeben – ungemein wichtig.