Ammersee Kurier
Raisting Es ist richtig, dass Lisa Fitz ihre Karriere mit 20 als Moderatorin im BR bei der kreuzbraven „Bayerischen Hitparade“ begann. Und dass sie sich anlässlich dessen erster Staffel 2004 ins trashige RTL-„Dschungelcamp“ verirrte (das sie als Zweitplatzierte verließ), ist gleichfalls kein Geheimnis. Doch all das hat mit der Frau, die am Dienstagabend ab 20 Uhr im Raistinger „Gasthof Zur Post“ vor einem steht, so überhaupt nichts zu tun. Stattdessen hat man es bei der Kraillingerin mit einer bayerischen Urgewalt zu tun, deren wuchtiger Präsenz man sich keine Sekunde lang entziehen kann. Die 68-jährige, die der legendären, weit verzweigten Künstlerdynastie Fitz ent-stammt, liefert ein derart kraftvolles, intelligentes, witziges Programm von knapp zweieinhalb Stunden Dauer, unterbrochen von einer 30-minütigen Pause, dass man als Besucher gegen 23 Uhr mit brummendem Schädel und gepusht von aktiv agierenden Glückshormonen das Lokal verlässt. Geladen zum Bavaria-Event der besonderen Art hatte der SPD-Ortsverband Dießen, allen voran Bürgermeister-kandidatin Hannelore Baur, im Rahmen der alteingesessenen Veranstaltungsreihe „Aufruf zur Phantasie“. Und Coronavirus-Ansteckungs-gefahr hin oder her – der Saal war mit gut 300 Besuchern brechend voll. Garantiert keiner der Neugierigen wird seinen Aufenthalt in der „Post“ bereut haben. Los geht’s mit dröhnend lautem Hard Rock von der Konserve, AC/DC lassen krachend grüßen. Und da ist sie auch schon, die „Patrona Bavariae“ aller Emanzipierten, Mutigen, Nachdenklichen, mit einem Sinn für deftigen Humor Ausgestatteten. Gleich vom ersten Moment an legt „La Fitz“ in bekannter Manier los, hier werden keine Gefangenen gemacht. „Flüsterwitz“ lautet das Motto der Veranstaltung. Doch das wird gleich zu Beginn von der Vollblut-Entertainerin zunichte gemacht: „Eine Demokratie produziert keine Flüster-witze. Geht nicht, weil ja die ganzen Komiker lauthals grölend in der Regierung sitzen.“ Von da an ist die Stoßrichtung des Abends klar – aalglatte oder auch korrupte Politiker kriegen ihr Fett ab, die Hochfinanz sowieso, mediale Zyniker gleichfalls.
Dass ausgerechnet das „Linke Bündnis“ kurz vor Konzertbeginn die SPD Dießen dazu aufforderte, die Veranstaltung wegen „Antisemitismus“ abzusagen, kann nur als Missverständnis gesehen werden. Stein des Anstoßes ist das Lied „Ich sehe was, was du nicht siehst“, das Fitz am Abend ge-nüsslich auf der Gitarre zelebriert, in dem die Zeilen zu hören sind: „Die Welt wird fieser und an wem mag’s liegen? Der Schattenstaat, die Schur-kenbank, der Gierkonzern. Rothschilds, Rockefeller, Soros & Konsorten, die auf dem Scheißeberg des Teufels Dollars horten.“ Ein Anti-Kapitalismus-Stück par excellence. Und schon deshalb nicht antisemitisch, weil etwa Rockefeller kein Jude ist. Die Fitz nimmt solche Anfeindungen, als Radikal-Demokratin mit Humor, eh gelassen entgegen: „Ich bediene mich der freien Rede, solange ich noch darf“, erklärt sie dem Publikum. Lisa Fitz geht es stattdessen in ihrem Programm darum, immer wieder mal mit Liedbeiträgen untermalt, Signale für Mut, Emanzipation, freies Denken auszusenden. Sie appelliert ans individuelle Handeln und daran, dass nur gemeinsam eine bessere, sozialere, „anständigere“ Gesellschaft entstehen kann.
Auch langweilige (Ehe-)Männer werden nicht verschont, mit dem (eigenen) Altern geht sie ebenfalls ironisch ins Gericht („ich war mal eine Alt-68erin, jetzt bin ich eine alte 68-Jährige“). Und am Internet und seinen bösartigen, hasserfüllten Anonym-Kommentaren lässt sie definitiv kein gutes Haar. „Demokratie muss man aushalten können“, sagt sie. „Was bedeutet: Wir müssen freie Meinung aushalten können.“ Unter diesen Überlegungen muss das Beinahe-Schlusswort an die Besucher verstanden werden: „Wer einer Herde folgt – der sieht am Ende nur Ärsche.“ Dann die Liberalitäts-Hymne „Die Gedanken sind frei“ aus dem 18. Jahrhundert, deren Inhalt in Zeiten von Fake News relevanter denn je zuvor ist. Lauthals wird mitgegrölt. Schließlich Abgang Lisa Fitz, mit AC/DC vom Band – passend zu einem bärenstarken Auftritt.
Quelle: Ammersee Kurier, Artikel von Michael Fuchs-Gamböck