Münchner Merkur , 08.06.2015
Meisterhaft im Schlachthof
Da kann Champions-League-Finale sein oder Biergartenwetter – wenn die Fitz Lisa in München ihr neues Programm präsentiert, kommen die Leut´. Der Clou im ausverkauften Schlachthof: Die Fitz ist gar nicht da. Dafür Reinigungskraft Helga, die das Publikum informiert, dass sich die Fitz Lisa verspätet, und in der Folge über die Bahn, das Leben und die Welt herzieht. Und über Politik natürlich. „Die Politiker wollen nicht mehr arbeiten, und wir wollen nicht mehr wählen“, umschreibt sie den neuen Gesellschaftsvertrag. So geht es weiter im Weltmeisterinnen – gewonnen wird im Kopf.
Die Fitz kommt nicht. Steckt im Stau. Stattdessen darf Kulturkritikerin Inge von Stein über Männer und deren Lebensunfähigkeit schwadronieren. Wie genau Fitz den schnoddrigen, etwas affektierten Tonfall trifft, ist fast schon beängstigend gut. Auch als Politikerin und Geheimdienstlerin füllt sie die Rollen so überzeugend aus, dass man fast vergisst, wie viel Arbeit das ist. Die 63-Jährige pendelt souverän zwischen Alltäglichem, Zwischenmenschlichem und Politischem, ohne aus der Spur zu geraten. Das ist seit jeher das Markenzeichen der Fitz, die als erste Frau in der Bundesrepublik mit einem Kabarett-Solo-Programm unterwegs was – und so den Weg geebnet hat für ihre Geschlechtsgenossinnen. Das Geheimnis des Abends ist die Selbstironie. Natürlich ist es Fitz ernst, gerade mit den Frauenthemen – aber sie hat ausreichend Witz und Lebenserfahrung, nicht ins Verbohrte abzudriften, und bugsiert sich mit sanftem Effet aus der Ecke der Rechthaberin. Zwischendrin demonstriert sie beiläufig, was für eine begnadete Sängerin sie ist. Spätestens nach der Interpretation von Tom Waits´ Yesterday is here wünscht man sich einen Liederabend mit Fitz. Ganz ohne Kabarett. Ginge auch. ( Zoran Gojic)