Mit freundlichem Dank an Hallo München, Oktober 2024
Seit 1972 steht die Kabarettistin, Sängerin und Schauspielerin auf der Bühne. Wie schwer es heute für Künstler ist, Missstände und Kritik in bissigen Wortwitz zu packen, warum es deshalb oft nur harmlose Comedy gibt und was gegen Negativ-Gedanken wirkt…
Frau Fitz, Sie sind mit Ihrem Neuen Programm auf der Bühne zu sehen. Wer bekommt diesmal die volle Wut der Lisa Fitz zu spüren…?
(Lacht) Meine Wut? Nö, ich bin keine Wutbürgerin. Das sind satirische Spitzen, die gehen vorwiegend an die Regierung und unsere Politiker. Ist es nicht katastrophal, was seit drei Jahren in Berlin passiert? Ich frag ja nur. Unser farbloser, blasser Kanzler Scholz, der sich an nichts erinnern kann, ist die wandelnde Karikatur eines Drittel-Wumms. Wie sagte der Lemming zu den anderen, als sie Richtung Klippe liefen? „You´ll never walk alone!“
Sie sind eine Verfechterin von „die Ampel muss weg“?
Ja, in der Tat. Man weiß zwar nie, was nachkommt und ob´s dann besser wird. Aber ich meine, dass fast alles nur besser werden kann, als das, was derzeit in Berlin abgeht. Ich toure seit 40 Jahren mit über 4500 Sologastspielen in unzähligen Groß- und Kleinstädten in drei Ländern. Ich bin vor Ort und ich spreche direkt mit Bürgern jeglicher Couleur. Die Menschen sind verunsichert, Frauen haben sogar Bedenken, abends allein auf die Straße zu gehen. Es geht Angst vor der Zukunft um, Angst vor Krieg, Angst, die Wirtschaft schmiert vollends ab. Das ist nicht nur gefühlte Angst, sondern realistische, aufgrund von Geldnot, wenn man beim Einkauf 30 % mehr zahlt, aber nicht 30 % mehr verdient. Und diese Zukunftsangst macht mürbe. Ich halte das größtenteils für Politikerversagen. Und immer wird der Sündenbock dann woanders verortet anstatt dass man Fehler zugibt.
Nutzen Sie Ihre Prominenz auch, um Politiker direkt darauf anzusprechen?
Wir waren mit unserem Landrat beim Essen in Rottal Inn, das war sehr interessant. Natürlich hat er nicht ausgeplaudert, was er nicht darf. Aber allgemeine Themen kamen zur Sprache, wie Energie und die Heizungsgesetze. Und unsere Bürgermeisterin schickt sogar Briefe an die Bürger, man könne sich mit Fragen und Problemen gerne persönlich an sie wenden, das ist doch ein guter Service. Wie lange sie das noch bewältigen kann, weiß ich allerdings nicht.
Avanti Dilettanti – Wo sind Sie bekennende Dilettantin?
Ich bin mit Abos und Bestellungen zu schnell, das ärgert mich immer wieder. Und ungeduldig mit verwursteltem Kabelsalat. Und ich kann schlecht wegwerfen. Ich sollte 50% von dem Zeugs, was im Haus ist, entsorgen, verschenken, verkaufen… aber alles sag ich Ihnen natürlich nicht.
Vergeht Ihnen auch manchmal das Lachen? Und was bedeutet das für Ihr neues Programm?
Schwierig ist es, Missstände in eine lustige Kabarettnummer zu wandeln, und generell den Humor zu bewahren. Man könnte sagen, das politische Kabarett ist tot, da konkurriert man ja mittlerweile mit den Politikern selbst. Witze über die Regierung…? Die brauchen keinen Spott, die brauchen professionelle Hilfe. Nein, im Ernst: Es gibt Stoff im Übermaß, aber es ist oft zum Verzweifeln. Die Menschen in Niederbayern (ich bin ja Münchnerin) sind bodenständige Leute. Aber viele – nicht nur hier– sind vorsichtig mit ihren Äußerungen geworden, sie tragen das, was sie denken, nicht mehr so auf der Zunge. Ich sag´s halt, seit 40 Jahren. Aber den Ärger über Missstände muss ja erstmal zuhause der Partner aushalten –wir bremsen uns dann oft und sagen: „Geh mal vom Gas runter mit deiner Empörung, sonst komm ich noch schlechter drauf.“ Am besten setzt man sich in den Garten oder schaut sich „Ice Age“ an, damit man bissl wegdenkt von den allgegenwärtigen Negativ-Themen, die jeden Tag wie ein Elefant im Raum stehen.
Was fließt noch mit in Ihr aktuelles Programm ein?
Meine Programme laufen immer drei Jahre, bis man alle Theater und Veranstalter in Ost und West, Österreich und Schweiz durchhat. Wenn da Wahlen dazwischenkommen, müssen natürlich Updates rein. Für 2025 werde ich größere Passagen neu schreiben müssen, die Ampel wird Geschichte sein, evtl. samt ihren politischen Vertretern und -rinnen. Interessanterweise sehen sich meine Videos und Beiträge wie z.B. auf den NachDenkSeiten sehr viele Berliner an. Wenn die Themen allzu bayrisch sind, generiert das weniger Views als gesamtdeutsche Themen.
Was, wenn Ihr Publikum bei Liveauftritten nicht lacht?
Jeder Einzeltext durchläuft ja zig Filter, man modifiziert sprachlich, probiert auf der Bühne aus, ob eine Nummer funktioniert, man schreibt sie um, nimmt sie auf, testet sie neu. Was nicht verstanden wird, wo keiner lacht, das wird gestrichen oder geändert. Mein Mann hört das als Erster, aber letztlich ist das Publikum der Maßstab. Das aktuelle Programm polarisiert, das Publikum reagiert zuweilen unterschiedlich, auch in Österreich. Im Burgenland waren die Zuschauer verhalten, in Wien und Berlin haben sie mich gefeiert mit Standing Ovations. Es bleibt spannend!
Sie sind für viele eine streitbare Person. Wie gehen Sie nach über 40 Jahren Kabarett auf der Bühne mit Kritik um?
Sinnvoll wäre es, ungerechtfertigte Kritiken zu ignorieren. Das gelingt mir nicht immer. Meine aktuelle Erfahrung ist, dass vor allem Kritikerinnen immer weniger in der Lage sind, Ironie einzuordnen. Bei einem Beitrag über Klaus Schwab, den Gründer des WEF, der vom Great Reset, den ich satirisch kommentiert hatte, hieß es: Die Fitz sei Verschwörungstheoretikerin … da wusste ich: Die Dame hat´s nicht gepeilt. Traurig, wenn Satire nicht mehr verstanden wird und ins Hintertreffen gerät, weil sie nicht regierungsstreu ist. Kabarett muss nach oben austeilen, nicht nur nach rechts oder links oder gar nach unten. Es muss die Regierenden und Herrschenden hinterfragen.
Woran liegt das? An der angebotenen Satire im TV?
Es begann mit dem Privatfernsehen und Comedy, mit Humor, der oft aus Pennälerwitzen besteht. Oder die Formate wie „Frauentausch“, „Toto & Harry“ „Bauer sucht Frau“, „Schwiegertochter gesucht.“ Früher hätten sich die Leute geschämt, weil sie sich blöd vorgekommen wären. Heute ist diese Blödheit Standard. Wir Zuschauer werden so konditioniert. Seit Corona hat die Politik auch den Schulterschluss mit den Medien vollzogen. Für mich wirkte es, als hätte man beschlossen, dass Volk solle Angst haben. Warum? Ein Volk ohne Angst wird frech. Satire durfte auch einen kaum getesteten Impfstoff nicht infrage stellen, keine Witze darüber machen. Aber wenn Sie heute keine Satiriker mehr haben, die den Mund aufmachen dürfen, dann stirbt Satire, dann sieht man nur harmlose Comedy. Ich finde das fad, was heute geboten wird. Dem Dieter Hildebrandt hat mal ein „Fan“ geschrieben: „Ihnen sollte man Ihr freches Maul zunähen!“ Aber einem echten Kabarettisten nähst du das Maul nicht zu. Er muss sein freches Maul behalten dürfen, sonst ist er ein stromlinienförmiger, glatter Aal.
Sie sprechen es an. In der Corona-Zeit gab es viel Wirbel um Sie…
Es war eigentlich nur der Beitrag für die SWR „Spätschicht“, die Nennung von Impftoten. Das hat sich dann in der Presse hochgekocht. Ich habe daraus gelernt, dass das Wörtchen „angeblich“ heute sehr hilfreich und ein Schutz sein kann, wenn man über Zahlen und Fakten spricht.
Aber grundsätzlich sind Ihnen Menschen mit anderer Meinung willkommen?
Ja natürlich, ich komme aus einem diskussionsfreudigen Elternhaus. Man sollte alles differenziert betrachten und keine zu starre Meinung haben. Vielleicht hat man ja gar nicht Recht und man kann über alles trefflich streiten. Aber wenn jemand eine Meinung hat, die für ihn in Beton gegossen ist, wird´s schwierig. Die Starre begann mit Corona. Dann folgte der Ukraine-Krieg, die Energieversorgung, die Migrationskrise. Nur– wenn die Politik aus dem Ruder läuft und Bevölkerungsteile sich radikalisieren und keine andere Meinung mehr dulden, dann wird es für auch mich schwierig. Und das gilt: FÜR ALLE SEITEN!
Trennen Sie echte und falsche Freunde?
Ich erlebe vieles. Neulich habe ich mit einer Freundin gesprochen, die sagte „Ach komm, uns geht’s doch so gut!“. Ich sagte: „Ja, dir vielleicht oder mir, aber vielen Menschen doch nimmer so wirklich?“ Der Großteil der Bürger informiert sich zu wenig über politische Hintergründe, aktuelle Ereignisse, wie es den Nachbarn nebenan geht. Aber dann wird halt die Unterhaltung manchmal mühsam.
Was machen Sie dann? Lassen Sie Themen weg? Oder die Freundschaft?
Es gibt Möglichkeiten, Streitthemen zu umschiffen, aber oft ist es auch gut, wenn man die Beziehung und aufgebrachte Stimmung ein wenig ruhen lässt. Mit meinen Eltern habe ich seinerzeit einfach das Themenspektrum verengt
Die Themen sind dann: Wetter? Essen? Urlaub?
Mit den meisten Leuten kann man zum Glück über viel mehr reden oder Streuthemen mit stoischer Gelassenheit aussitzen. Aber das kommt darauf an, wie man zu dem Gegenüber steht. Hat man ihn gern, schafft man es meistens auch, Streitpunkte zu umgehen. Das soll natürlich nicht heißen, dass man immer einer Meinung sein muss. Konstruktive Kritik ist wertvoll. Denn sie ist eine Chance, sich weiterzuentwickeln.
Als Kabarettistin haben Sie zu allem eine Meinung – aber: wie schalten Sie ab?
Das ist oft schwierig … wenn durch den YouTube Algorithmus immer wieder Politiker-Videos vorgeschlagen werden. Dann muss man zweimal „Gerettete Katzen“ eingeben, damit was anderes gezeigt wird. Sich auszuklinken, ist nicht leicht, mein Mann und ich verordnen uns das aber oft gegenseitig: Raus in den Garten, spazieren gehen, die Natur ist vor der Tür. Oder Yoga. Oder drei Minuten Meditation auf den Balkon, um mir bewusst zu machen, dass ich gesund bin, dass mir mein Beruf große Freude macht und dass wir eine tolle Partnerschaft haben. Das ist Pflicht, sonst denkt man sich krank.
Haben Sie Angst um die Zukunft der nächsten Generation?
In der Jugend waren wir rebellisch, und in den 90ern sehr hedonistisch, das habe ich genossen. Mitleid mit der jetzigen jungen Generation habe ich nicht, da müssen die selbst durch. Mein Sohn heitert mich oft auf. Nepo interessiert sich für KI oder Musik, er ist ganz anders drauf, nicht politisch und selten negativ. Der Kerl ist immer guter Laune, er ist ein B.E. – ein belebendes Element (lacht).
Sie gelten als feministische Vorreiterin. Heute kein Hauptthema mehr in Ihrem Programm…
Das Thema Emanzipation habe ich sehr lange sehr ausführlich behandelt, das ist für mich nicht mehr so vorrangig. Die schlechte Nachricht ist: Die Frauen retten uns nicht. Wenn Ursula von der Leyen einen Raum betritt, dann gefriert doch das Leitungswasser. Und Annalena Baerbock legt sich mit einer Atommacht und einem russischen Machthaber an, der besser deutsch spricht als unsere Außenministerin!
Frustriert?
Nein, nie. Die Frauen haben sich so viel erkämpft und das hört ja nicht auf. Wir wollten Gleichstellung, gleiche Gehälter, wirtschaftliche Verbesserung, Kampf gegen die Gewalt gegen Frauen, gleiche Rechte. Da habe ich mit Humor viel dazu beigetragen. Jetzt interessieren mich halt andere Themen.
Es heißt immer, Alter ist nur eine Zahl. Fühlen Sie sich mit jungen 73 heute „wie das neue 37“?
Ha, das wäre zu viel! Klar, natürlich ist das ein Thema, wenn man merkt, für diverse Projekte wird die Zeit knapper. Die große Wohnmobilreise um die Welt macht man vielleicht doch nicht mehr… und den Salsa-Contest auch nicht. Aber ich bin sehr zufrieden mit mir und ich will auf jeden Fall gesund bleiben, da tu auch viel dafür. Viele Frauen geben sich ab Mitte 50, 60 leider auf und denken: „Jetzt bin ich eh alt, wurscht.“ Sie werden unförmig, schminken sich nicht (mehr) und tragen seltsame Gewänder. Schade. Dann will ich mit 90 eher wie Joan Collins sein! Oder wie Ruth Megary, die 101-jährige Münchner Sängerin!
Sie sehen blendend aus, stechen optisch heraus…
Hier muss ich zugeben: Hier hat mein Mann ein Händchen dafür respektive ein Auge. Er bestellt mir Kleider, die hätte ich niemals bestellt. Und dann zieh ich die an und es sieht super aus!
Gibt es neue Pläne für eine eigene Sendung?
Nein, die habe ich gehabt und würde ich nicht mehr wollen. Mit meiner Tour, den Gastspielen, habe ich viel Freiheit, ich bin meine eigene Chefin. Ich mache für die NachDenkSeiten.de monatlich ein Video. Und es kommen immer neue Projekte dazu. Da bleibt nicht viel Zeit.
Sie sind aber bis 2026 viel unterwegs…
Ja, es sind um die 80 Solo-Gastspieltage pro Jahr, gebündelt in Tour-Blöcke. Die teilweise langen Fahrten im Auto sind manchmal schon etwas mühsam, aber wenn ich dann auf der Bühne stehe, ist das alles wieder vergessen. Solange die Leute kommen, lachen und mein Kabarett mögen, mache ich das – solang ich gesund bin und Freude daran habe.
Das Gespräch führte Marie-Julie Hlawica
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