Gesellschaft für Theatergeschichte:
Das rebellische Kabarett der Lisa Fitz und seine Rezeption
von Andreas Häcker
Aspekte im deutschen Theater des 20. Jahrhunderts [en ligne]. 2015
Müssen genre-und genderrelevante Quoten in der Theaterforschung Einzug finden?
Liest man den Aufruf der Gesellschaft für Theatergeschichte, so scheint es, dass ein (männlicher) an staatlich subventionierten Sprechtheatern in führender Position ange-stellter Regisseur besonders einfach im 20. Jahrhundert in Deutschland Objekt der For-schung werden könne. Eine Frau, darstellende Künstlerin im Kabarett, Varieté oder Tourneetheater, auf eigene Rechnung arbeitend, falle dahingegen besonders einfach durchs Raster. Hier soll es um eine solche Künstlerin und ihre zahlreichen Produktionen gehen: um Lisa Fitz und ihr rebellisches Kabarett, in dem die Bühnenfiguren meckernd und Wimpern schlagend ihre sinnliche Weiblichkeit bekräftigten, im keuschen Marien-mantel oder schwarzen Lederkorsett bigotte, autoritäre Heuchler demaskierten. Bündige Sprüche, klare politische Ansagen, schwarzer Humor, Musik und Erotik, Lokalkolorit und Elemente aus dem bayerischen Volkstheater, die unbeirrte Suche nach dem Kontakt zum Zuschauer sind wohl der Markenkern ihrer erlebnisreichen Bühnenprogramme.
Für Theaterwissenschaftler, die sich über die Arbeit lebender, noch tätiger Künstler neigen, stellt sich stets die Frage, ob die Studie allein auf Dokumentation und Archivarbeit oder in Kontakt mit den Künstlern entstehen soll, wenn es eine um Ausgewogenheit und Vollständigkeit sich sorgende Arbeit werden soll. Nach Lektüre der Biografien sowie Besuchen im Deutschen Kabarettarchiv Mainz und Deutschen Literaturarchiv Marbach habe ich für diesen Artikel den Kontakt mit der Künstlerin gesucht, die dem Forschungs-projekt sehr offen und hilfreich mit Wort und Tat gegenüber eingestellt war. Gemäß des Aufrufes stelle ich folgende Ausgangsfragen: Ist das Vergessen der Bühnenprogramme von Lisa Fitz als Frau, Darstellerin in Fernsehfilmen, Autorin, Kabarettistin und schillern-de Aufrührerin, die Kontakte zur Boulevardpresse und Auftritte in TV-Talkshows nicht scheute, im Feuilleton nicht schon vorprogrammiert, das die Hochkultur privilegiert, und dann schließlich in der von Männern dominierten Theatergeschichte? Ihr künstlerischer Werdegang ist ein Parcours der weiblichen und künstlerischen Emanzipation.
Aus der volkstümlichen Fernsehansagerin und Sängerin unter väterlicher Obhut, die auch einmal für den CSU-Vorsitzenden und bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß eine Schallplatte signierte und ihn zum Abendessen traf, wurde eine pragmatische und kämpferische Feministin und Kabarettistin mit sozialdemokratischen Affinitäten, die beruflich und privat zeitweise mit dem Kommunisten Franz Xaver Kroetz liiert war. Begegnungen mit männlichen Bühnenkünstlern waren für ihre Arbeit nicht unförderlich. Sich mit ihrer Biografie und dem ästhetischen Parcours der mannigfaltigen Produktionen zu befassen, wird reiches Wissen liefern: Wissen um die Produktionsbedingungen des Tourneetheaters und des politischen Kabaretts, Wissen um die nötige Professionalität als freie Unternehmerin und die Schwierigkeiten der Prominenz, Wissen auch um die Konflikte in einer Künstlerfamilie, in der es gilt, sich seinen eigenen Bereich zu schaffen und ein eigenes Genre zu finden.
Wohl schwerlich passt Lisa Fitz in so manches Raster. Sie ist eine Grenzgängerin der Genres, oszillierend zwischen Unterhaltungsmusik, Fernsehen, politischem Kabarett, Rockmusik, aber auch Sprechtheater mit klassischem Text und zeitgenössischem Volkstheater. Und sie ist eine Grenzgängerin der Codes, eine bewusste Klischeebrecherin und Provokateurin. Gerade die Last der Etiketten, die Bühnenkünstlern von der Presse angeklebt werden, will ich hier diskutieren. Doch: Wie begann ihre Karriere? Worin zeichnet sich das rebellische Kabarett der Lisa Fitz aus? Und wie reagierte das Publikum?
Mobiles und solides Familienunternehmen
Lisa Fitz macht seit fast 40 Jahren Kabarett, das erste Soloprogramm kam 1976 in München auf die Bühne. Bis heute, im Jahr 2014, ist sie ohne Unterlass auf Tournee in Deutschland, Österreich und in der Schweiz. Dabei spielte sie in mehr als 3000 Soloabenden vor mehr als zwei Millionen Zuschauern. Produziert wurde und wird das „Wandertheater“ im Familienbetrieb. Mit ihrem ersten Ehemann Ali Khan entstanden nach 1980 mehrere Bühnenproduktionen und Schallplatten, mit Sohn Nepomuk ab 2002 das Programm Alles Schlampen außer Mutti, ihr Lebenspartner Peter Knirsch, den sie im September 2002 bei einem Harley-Treffen kennenlernte, fährt im aktuellen Soloabend Mut – vom Hasen zum Löwen die Technik. In Gesprächen mit Lisa Fitz fällt auf, dass sie häufig die Begriffe Tradition und Familie mit Bezug zum Theater erwähnt, wieviel Wert sie auf die handwerkliche und geschäftliche Dimension der Bühnenarbeit legt. Unter den zahlreichen Archivalien zu ihrer Person habe ich eine autobiografische, maschinenschriftliche Notiz gefunden, die im November 1986 verfasst wurde. Schon ihre Geburt sei mit den Produktionsbedingungen reisender Künstler verbunden, wie Lisa Fitz dort schrieb:
Ich bin am 15.9.51 in Zürich geboren, in dritter Generation der Münchner Theaterfamilie Fitz. Zürich deshalb, weil ich einen Monat zu früh das Licht der Welt erblickte, nämlich während einer Tournee meiner Eltern. […] Mein Vater Walter Fitz, Ältester der fünf Geschwister, war in jungen Jahren Leader der Bigband ‚Walter Fitz & his Orchestra‘, spielte viel bei den Amerikanern und arbeitete später als Komponist und Produzent. […] Seine zukünftige Frau Molly, die sich als Bandsängerin bei ihm vorgestellt hatte, bildete mit ihm und seinem Bruder Gerd Fitz, ebenfalls Sänger und Schauspieler, das Entertainer-Trio ‚Fitzett‘, als das sie mit parodistisch-humoristischem Programm über 25 Jahre durch Europa tourten.
Die erste Generation der „Theaterfamilie“ Fitz waren die Großeltern. Ilse Fitz, geborene Heirich, war Opernsängerin, Theaterleiterin und Regisseurin, ihr Ehe-mann Hans Fitz (1891-1972) Drehbuch- und Theaterautor, Schauspieler und Regis-seur. In ihrer Autobiografie betont Lisa Fitz den formenden Einfluss ihres Groß-vaters:
[Er] war mein Vorbild für meine Berufswahl, mein ‚Role Model‘. Ich sah ihn auftreten, beobachtete und hörte, wie er die Menschen zum Lachen brachte und dachte: ‚Diesen Beruf will ich auch!‘
Hans Fitz war fest in der Münchner Kulturwelt der 1930er Jahre eingegliedert. Sein Sinn für Musik und das Komische sollten wegweisend für die Enkelin werden:
Ein Repertoire von über achthundert Liedern soll sich mein Großvater angeeignet haben, und mit dem Humoristen Karl Valentin verband ihn eine persönliche Bekanntschaft, mitunter war Valentin zu Besuch in unserem Kraillinger Haus.
Auch für den Willen und den Mut zum Wandel habe der Großvater, der ein Architekturstudium abbrach, gewisse Vorbildfunktion:
Mein Großvater war das schwarze Schaf in seiner Ursprungsfamilie und für uns Folgegenerationen somit der Leithammel. Meine Großmutter, selbst Opernsängerin, brachte er vom strengen Weg der ernsten Kunst ab und zog sie zur leichten Muse, die ihn zeitlebens verlässlich küsste. Sie leitete später […] das von ihr gegründete Kindertheater.
Der Musikjournalist Arno Frank Eser beschreibt den Großvater als Patriarchen, umreißt auch die nicht minder patriarchale Rolle ihres Vaters Walter (1921-1992) in seiner Biografie der Künstlerin. Von ihrem Vater – so zitiert Eser sie – habe sie
eine realistische Einstellung zum Beruf vermittelt bekommen. Habe gelernt, daß vieles in unserer Branche solides Handwerk ist und kein Höhenflug. […] Doch es gibt auch Sachen, die ich ihm bis heute übelnehme. Daß er zum Beispiel meiner Mutter das Gefühl gegeben hat, daß Frauen ab 40 auf der Bühne nichts mehr zu suchen hätten.
Lisa Fitz steht seit ihrem zehnten Lebensjahr auf der Bühne. Die Mutter Molly Fitz war Coach, sorgte dafür, dass die Tochter Gesangs- und Tanzunterricht bekam, sie auch in klassischer Konzertgitarre ausgebildet wurde. Molly Fitz begleitete sie später auf der Suche nach einer Schauspielschule in München. Vater Walter Fitz war der Manager der jungen Künstlerin, bekam dafür etwa ein Drittel der Gagen. Mit 16 Jahren formiert Lisa Fitz das Gesangsduo „Mona & Lisa“ mit ihrer Kindheitsfreundin Mona Freiberg, eigentlich Ursula Freiberg, die später den Schauspieler Bernd Helfrich heiraten und gemeinsam mit ihm dem Chiemgauer Volkstheater vorstehen wird. Als Produzent organisierte Walter Fitz die Auftritte des Duos, gesungen wurden Songs von Bob Dylan und eigene Kompositionen bei Galas und Betriebsfesten für große Münchner Firmen, auf Kreuzfahrtschiffen und in Fernsehshows. Wenngleich es im Frauenduo Reibungen gab, insbesondere durch den Hang sich als Frauen zu vergleichen und zu messen, so schreibt Lisa Fitz rückblickend über die gemeinsame Arbeit und Freundschaft zu Mona:
Sie gab mir über viele Jahre Stabilität und seelischen Halt, sie glich die tourneebedingte Abwesenheit und spätere Gemütslabilität meiner Mutter aus. […] Es rebelliert sich doch wesentlich leichter, wenn man so eine Eiche zum Anlehnen hat.
Lisa Fitz verließ das Gymnasium vor dem Abitur, studierte von 1969 bis 1972 an der privaten Schauspielschule von Ruth von Zerboni, die als Lehrmeisterin gewissermaßen die Fortsetzung ihrer Mutter war. In einem Gespräch mit Ulrike Knapp sagte Lisa Fitz über diese Mutterfigur:
Meine Schauspiellehrerin hat immer sehr darauf geachtet, ich soll diese oberflächlichen Dinge lassen, ich soll eine solide Karriere machen, mit spielen auch in der Provinz erstmal am Theater. Und Lieder singen wär’ ganz okay, aber man muß doch auch die Basis schaffen.
An der Schauspielschule verweigerte Lisa Fitz die Abschlussprüfung, sie habe keine Lust gehabt, sich
von den nicht immer selbst unbedingt erfolgreichen Schauspielern, die oft in der Prüfungskommission sitzen, in überheblicher, herablassender Weise bewerten zu lassen.
Auch ohne Zertifikat habe sie durch die Rollenarbeit und das Studium der Texte von Schiller, Goethe oder Shakespeare viel gelernt. Mit Ruth von Zerboni entdeckte sie den Mut zu sich selbst und zu großen Emotionen:
Die Fähigkeit, mir Ausbrüche sowohl zu gestatten als sie auch künstlerisch darzustellen und bei Bedarf in jede Rolle schlüpfen zu können, ist ein wichtiges Instrument, auf der Bühne und privat. (Dieser Keim allerdings musste noch viele Jahre bis zur Blüte reifen.)
Und in der Tat liegt wohl in dieser Fähigkeit zum temperamentvollen Ausbrechen und zur sinnlichen Explosion der Reiz ihrer Bühnenprogramme.
Von Jugendsünden, klebenden Etiketten und weiblichen Stereotypen
Darstellende Kunst ist stets experimentell und nicht hundertprozentig voraussehbar; nur durch die gemachte Erfahrung kommt es zur Erkenntnis. Soll man kollaterale Schäden immer ehrenhaft ausschließen und auf verlockende Projekte verzichten? In die Schauspielschulzeit fiel ein Engagement beim Film, das von der Boulevardpresse wie ein unabstreifbares Etikett nachgetragen wird. Für 400 Mark Gage spielte Lisa Fitz in der ersten Episode des Schulmädchenreports (1970) eine 17jährige Schülerin. Zu sehen war eine kurze Pettingszene im Bikini mit dem Mathematiknachhilfelehrer am Badesee. Damit diese kleine Filmrolle nicht als erste bleibende Erinnerung in den elektronischen Gedächtnissen fortbestehe, pflegt die Kabarettistin regelmäßig ihre numerische Reputation in den Mäandern des Internets. So veranlasste sie auch einen YouTube-Kanalbetreiber dazu, den Ausschnitt aus dem Film zurückzuziehen. Für Schauspielerinnen und Schauspieler ist dies sicher ein sehr lehrreicher Hinweis für einen sorgsamen Umgang mit Filmauszügen und so manchen geldbringenden Projekten.
Fatal ist in dieser Branche, dass nichts verschwindet oder verloren geht. Sämtliche Jugendsünden werden wieder und wieder aus der Mottenkiste hervorgeholt und medial ausgebreitet. […] Und in Zeiten des Internet hat sich das potenziert: Du wirst im Web mit deinen Fehlern verewigt. Einen Sieg allerdings habe ich errungen. Im Internet wies der Ausschnitt aus dem Schulmädchenreport mit Lisa Fitz 274.000 Zugriffe auf, mehr als jede meiner Kabarettnummern. […] Meine Agentur und ich erklärten, wenn es nicht zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommen solle, möge bitte dieses Video sofort entfernt werden. Dies geschah. Anders in meinem Wikipedia-Eintrag: Dort führe ich einen Dauerkampf mit Unbekannt. Immer wieder entferne ich den Eintrag Schulmädchenreport unter ‚Karrierebeginn‘.
Indes ließ der Karrierebeginn noch zwei Jahre auf sich warten; aber auch ohne Diplom blieb Lisa Fitz nicht lange arbeitslos. 1972 ist sie schon Autorin und Interpretin ironischer Lieder in bayrischem Dialekt. Das Lied I bin bläd wird ein Hit, dessen ironischer Ton und Aussage bis heute nicht verstanden werde. Hier die ersten drei Strophen:
Ui, schau, de Leit!
De san alle so gscheit!
De wissn, wie’s geht,
nur i – bin bläd!
Da redens’ über Politik
und über’n nächsten Krieg
und wie’s am Mond drob’m steht …
I woass nix, i bin bläd!
Beim Sex – hams’ mich belehrt,
da mach i ois verkehrt,
weil des heit anders geht!
Ja mei, i bin halt bläd.
Das erzählende Ich im Lied spricht unüberhörbar Dialekt. Und es hat den Ausgang aus der eigenen, selbstverschuldeten Unmündigkeit in politischen und sexuellen Fragen noch nicht vollzogen, wie es selbst gesteht. Es kehrt stattdessen leierhaft seine Blödheit und Minderwertigkeit gegenüber den sogenannten gescheiten Leuten hervor. 1993, in einem Spiegel-Interview, interpretiert die Kabarettistin das Lied als offenen Appell an unbefreite Frauen:
Der Song ist natürlich Satire und soll anstacheln zu Spott, Anarchie und Rebellion. Viele Frauen sind auch heute noch viel zu nett und angepaßt und haben sich in der traditionellen Opferrolle häuslich eingerichtet. Sie leiden und baden in Betroffenheit. Diese Weinerlichkeit führt höchstens in die Aggression, Depression oder in den Suff. Wenn ich solche Anwandlungen habe, denke ich: Hör auf zu leiden, mach was.
Walter Fitz, ihr Vater und Manager, fand 1972 infolge seiner Kontakte beim Bayerischen Rundfunk eine Stelle für sie. Das Lied I bin bläd, „eine Persiflage auf Besserwisser und Gschaftlhuber“, war sozusagen der Türöffner. Lisa Fitz sollte eine volkstümliche Musiksendung moderieren, eine weitere Schublade öffnete sich:
Die Bayerische Hitparade war eine volkstümliche Sendung mit Jodlern, Trachten, Kuhglocken und Volkssängern, das hundertprozentige Klischee des bayerischen Frohsinns – und mit mir als Moderatorin schlug sie ein wie der Blitz.
Über ihre zweijährige Arbeit als volkstümliche Ansagerin im Bayerischen Rundfunk, die sie als zu spielende Rolle sieht, notierte sie 1998 im Vorwort zum Stück Herzilein, in dem sie die Hauptrolle einer immer frohen TV-Moderatorin spielte und das die heile Welt in der Volksmusik karikierte:
1972 haben sie mich ins Dirndl gesteckt und gesagt: Du moderierst die Bayerische Hitparade. Und dann war ich über Nacht berühmt, Senkrechtstarterin, Liebling älterer Herrschaften. Die Einschaltquoten kletterten auf 70 %. Ohne ein bis zwei Halbe jedoch hab ich das Bavaria-Spektakel nie ansagen wollen. Nüchtern hätt’ ich mich in dieser Rolle auch nicht ertragen. Es waren nicht so viele Sendungen, bis ich ausgestiegen bin, aber genug, um das Dirndl-Image jahrelang wie Kaugummi an meiner Schuhsohle kleben zu lassen. Die Prominenz konnte ich wohl nutzen, wofür ich dem Redakteur Franz Pavlicek heute noch dankbar bin, denn sie war, obwohl zweischneidig, der Grundstein weiterer Karriereschritte.
In einem Fernsehinterview von 2003 bezeichnete die Kabarettistin diesen Senkrechtstart als „Segen und Fluch zugleich“. Parallel zu ihrer beachtlichen Schallplattenproduktion sowie Darbietungen bei Galas und Firmenfesten trat Lisa Fitz in der ersten Hälfte der 1970er Jahre auch in Fernsehfilmen und Serien auf, moderierte auch weitere Sendungen der ARD – in Musik aus Studio B präsentierte sie am 17. Februar 1975 das Fernsehdebüt des 25jährigen Konstantin Wecker, „ein neue[r] Sänger […], den ihr Vater entdeckt hat.“
Die Berichte in der Regenbogenpresse über ihre Fernseharbeit als Schauspielerin schieben sie in Rollen, die allzu weibliche Klischees bedienen: Hausmütterchen oder reizendes Lustobjekt. Während die Neue Post im Dezember 1975 sie als liebevolle, junge Fernsehfilmmutti darstellt, wählt die Springer-Presse ihren kessen Sex-Appeal als Aufhänger. Ein Portrait in Bild am Sonntag zeigt sie auf einem großen Foto im koketten Korsett, das sie für die Rolle der Varieté-Künstlerin Lisa de la Rosa im Fernsehfilm Goldfüchse (1974) trug. Der Artikel fasste die Liste ihrer Rollen im Tatort (Das zweite Geständnis, ARD, Mai 1975) oder im Fernsehfilm nach dem Roman von Ludwig Thoma Der Wittiber (ZDF, 1974), in dem sie mit dem Volksschauspieler Gustl Bayrhammer spielte, tendenziös sexistisch zusammen: „Sie hat das Image einer verruchten Bayerin. Mal hat sie einen Versicherungsbetrüger erpresst, mal als Bardame einen Mordverdächtigen versteckt. Als Dienstmagd verführt sie einen verwitweten Bauern.“ Doch im Schlussabsatz über die charmante Jeune première sind ihre ursprünglich feministischen und emanzipatorischen Töne zu hören. Lisa Fitz, als „blond und ledig“ etikettiert, war anscheinend befragt worden, wie der ideale Liebes- und Lebenspartner auszusehen habe. Die Antwort war klar und deutlich: „Ich brauche die Partnerschulter. […] Ich würde jedoch jeden rausschmeißen, der sich penetrant weigern würde, im Haushalt zu helfen.“ Eine konkrete Aussage zur konkreten Gleichberechtigung von Frauen und Männern, eine klare Anregung zur partnerschaftlichen Organisation im Familienleben. Regelmäßig wird dieser Satz auch in ihren Bühnenprogrammen vorkommen.
Das Debüt im Kabarett und die niederschlagenden Kritiken
Mitte der 70er Jahre nahmen ihre ersten Soloprogramme den Weg zum politischen-literarischen Kabarett. Mit Liedern ihres Vaters, eigenen Texten und Texten, für die Klaus Peter Schreiner Co-Autor war, gab sie das erste Gastspiel im November 1976 in der Lach- und Schießgesellschaft, die 1956 von Sammy Drechsel und Dieter Hildebrandt gegründet worden war. Der erste Auftritt in der Schwabinger Kabarett-Institution wurde in der Münchner Presse polarisierend rezipiert. Im Münchner Merkur erschien eine noch relativ nuancierte Besprechung mit teilweise differenzierter Kritik. Neben den fehlenden „Abstufungen, de[m] Wechsel im Ton zwischen Lied, Sprechvortrag und verbindenden Texten […], zwischen dem Krachteren und dem Besinnlichen“ wurden aber auch die positiven Seiten des Debütauftritts notiert, in dem eines der Lieblingsthemen der Sex gewesen sei. Mit vielen Blumen und zwei Zugaben habe er außerdem abgeschlossen. Die Stärken der Darstellerin lägen in der Rezitation, im Mimischen und Komischen, auch im Bezug zur altbayerischen Volksdarbietung und den Volksliedern: „Das Dilemma ist halt, daß dies alles in einer vorprogrammierten Schwabinger Atmosphäre stattzufinden hat, die Ansprüche weckt, die nicht gestellt werden sollten.“ Dahingegen veröffentlichte die Münchner Abendzeitung einen klaren Verriss, der an Galligkeit nicht sparte:
In roter Lederhose, mit Gitarre und derben Liedern gastiert Lisa Fitz als Ersatz für Marianne Mendt in der ‚Lach & Schieß‘ (noch heute und am Samstag). Ihre Art, sich zu repräsentieren, würde sogar Pferde scheu machen. Mit Ha-Ha-Humor flachst und albert sie herum. Jemand muß ihr eingeredet haben, sie hätte Talent, und damit wurde sie nicht fertig. Deshalb tritt sie auf und schafft Stimmung wie bei einem Betriebsfest. Als Kleinkunst oder Chanson oder gar bayerisches Entertainment kann man das nicht bezeichnen. Aber es gibt ein Publikum, das diesen Bier-Charme und diese Sauf-Rhetorik mag. Ab und zu hat dann Lisa Fitz lichte Augenblicke, wenn sie zum Beispiel über Probleme des Hackfleisches reimt und sich in dem Lied Lisa sei leise mahnt. Doch abendfüllend ist das nicht.
Der Vergleich mit Marianne Mendt war allerdings schon in anderen Medien zu lesen. Herbert Ahrens berichtete 1974 über die heimlichen Renner auf dem Schallplattenmarkt der 70er Jahre, über volkstümliche Musiker wie Ernst Mosch und seine Original Egerländer, die mehr Umsatz machen als „großplakatierte Stars“ des Pop. Eine der erfolgreichen Künstler sei eben auch Lisa Fitz:
Auf dieser volkstümlichen Welle schwimmt jetzt auch Bayern mit. Zu den beliebtesten TV-Sendungen rechnet neuerdings die Bayerische Hitparade. Ihre Moderatorin ist Lisa Fitz […], Tochter des Münchener Lokal-Troubadours Hans [!] Fitz, die sich inzwischen auch auf Mundartgesang verlegt hat. Mit ihrem Lied I bin bläd landete sie einen ganz großen Hit, wobei sie gar nicht gerne hört, daß man argwöhnt, sie wäre allzu deutlich in die Fußstapfen der Wiener Dialektsängerin Marianne Mendt getreten.
Spricht aus diesen Artikeln nicht auch vielleicht Neid oder die Tendenz zur Selbstgefälligkeit bei Kritikern und Feuilletonisten? Niederschmetternd sei der Bericht in der Abendzeitung gewesen, betonte Lisa Fitz im Gespräch mit Deutschlandradio:
[Diese Kritik] hat mir für zwei Jahre den Mut genommen … und die andere, die Süddeutsche [Zeitung] hat aber damals geschrieben, man wähnt die kommende Kabarettistin. […] Und dann hab ich halt paar Jahre wieder Theater gespielt und bin halt einfach ein bißchen nachgereift und hab versucht, Substanz zu kriegen.
Zu bemerken ist, dass Lisa Fitz in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre immer noch künstlerisch und vertraglich eng an Vater und Manager Walter Fitz gebunden war, sich erst allmählich von ihm befreite und auch mit dem klebenden Bild der bayerischen Frohnatur abrechnete. Unter der „Kuratel ihres Vaters und Managers“ wurden immerhin vier Langspielplatten, vier Singleauskopplungen, mehr als hundert Fernsehsendungen, Moderationen von TV-Popshows, Events für Firmen produziert, bis es zur wirtschaftlichen und künstlerischen Trennung kommen sollte:
1979, als Lisa schon einen inneren Boden mit der Schauspielerei gefunden hat, ist es dann soweit. Es kommt zum Bruch. Mit zwei Flaschen französischem Rotwein im Bauch und im Blut verkündet Lisa ihrem Vater den endgültigen Entschluß, den konsequenten Richtungswechsel, die berufliche Trennung. ‚Diese Szene ist heute noch manchmal ein Trauma für mich. Er hatte Augen wie ein angeschossenes weidwundes Reh. Er hatte uns immer als künstlerische Einheit gesehen.‘ Aber Walter Fitz emanzipiert sich im Lauf der Jahre von seiner Tochter. Er spielt wieder Theater, kommt als Strauß-Parodist auf dem Nockherberg in München zu Ruhm und Ehren. Und Lisa kann sich guten Gewissens ihrem Theaterspielen widmen.
Doch sollte das Sprechtheater wirklich das Medium werden, in dem Lisa Fitz ihre eigene Kunst produzieren würde? Mehrere Männer des Theaters sind gewiss wichtig für ihren Werdegang. Der Kabarettist Dieter Hildebrandt, der Liedermacher Konstantin Wecker, der Autor, Schauspieler und Regisseur Franz Xaver Kroetz gehören dazu. Sie boten ihr Anregung und die Möglichkeit eine eigene Meinung zu bilden, jenseits der Ansichten der Familie und des vorherrschenden christsozialen Milieus im Heimatdorf Krailling im Südwesten Münchens, im Landkreis Starnberg.
Mit 24 Jahren lernte sie 1975 den Schauspieler und Dramatiker Franz Xaver Kroetz kennen, der Mitglied und Bundestagskandidat der Deutschen Kommunistischen Partei war. Mit ihm drehte Lisa Fitz einige Filme, die auf seinen Volksstücken beruhten. So spielten sie gemeinsam die Hauptrollen, das junge Paar Kurt und Martha, in seiner Verfilmung des Volksstücks Das Nest (1978). Im ZDF-Zweiteiler von August Kühns Familienchronik Zeit zum Aufstehn (1978), eine Geschichte der Sozialdemokratie, sah man sie ebenso mit Kroetz als Hauptfiguren auftreten. Später übernahm sie unter seiner Regie im Fernsehfilm Heimat (Hessischer Rundfunk, 1979) die Rolle einer jungen Mutter, einer Friseuse aus Rosenheim, die ihr uneheliches Kind ihrem Vater, dargestellt von Willy Harlander, zur Betreuung überlässt. An den Münchner Kammerspielen trat sie 1983 schließlich mit Franz Xaver Kroetz, Jörg Hube und Monika Baumgartner im Vierpersonen-Stück Nicht Fisch, nicht Fleisch auf, das anhand zweier Paare die moderne Arbeitswelt und ihre Entfremdungen behandelte. Auch im Hörspiel Maria Magdalena, das Franz Xaver Kroetz nach Friedrich Hebbel einrichtete, war Lisa Fitz 1987 zu hören. Die amouröse Verbindung, aber vor allem die gemeinsamen Theaterarbeiten und Filmproduktionen waren für Lisa Fitz sehr lehrreich:
Kroetz’ Qualitäten als Autor lagen unter anderem in der Essenz seiner Aussagen, der (gesellschaftspolitischen) Radikalität seiner Sicht und der Reduktion der Sprache auf das Wesentliche. Ohne dass es mir sofort bewusst gewesen wäre, lernte ich durch den Umgang mit ihm und seinen Werken, meine Aussagen in meinen Kabaretttexten mehr und mehr auf ihren Kern zuzuspitzen, Überflüssiges wegzulassen – was gerade bei der Satire so wichtig ist, aber einem Kabarettisten nicht immer gelingt.
Mit geliebten und liebenden Menschen partnerschaftlich zu lernen und zu arbeiten, ist sicher ein Königsweg auf der Bühne. Ich komme aber zurück zu meinen Ausgangsfragen und erweitere sie um eine Nuance: Muss eine Frau männliche Verhaltensweisen bei ihrer Arbeit im Kabarett annehmen, um als darstellende Künstlerin Erfolg zu haben und anerkannt zu werden?
Spiel mit den maskulinen Codes und Einsatz in den neuen sozialen Bewegungen
Das politische Kabarett war und ist in der Bundesrepublik Deutschland eine ausgesprochen männliche Domäne, nur wenige Frauen hatten ein Bleiberecht auf den Brettern der sozialen Satire am Ende des 20. Jahrhunderts. Lisa Fitz stellte selbst die Frage, warum sie so wenig weibliche Konkurrenz habe:
Interessieren sich die Frauen in Kunst und Satire weniger für Politik? Mangelt es ihnen an Mut oder Kompetenz für politische Aussagen? Werden sie diesbezüglich auch nicht gefördert?
Frauen hatten es nicht leicht im deutschen Kabarett. Klaus Budzinski und Reinhard Hippen umrissen im Artikel „Frauenkabarett“ den weiblichen Freiheitskampf im Kabarett so:
Hatte [die Frau] bis 1918 eher die Funktion des erotischen Reservats in den männlich dominierten Brettln und Kabaretts […], so spielte sie sich seit den zwanziger Jahren als Verkörperung eines selbstbewußten Frauentyps mehr und mehr in den Mittelpunkt.
Für feminine Dominanz in den 1930er Jahren stand Erika Mann zusammen mit Therese Giehse im Zürcher Exilkabarett Pfeffermühle. In Kabarettensembles gelte aber eine Frau und Darstellerin
bis in unsere Tage […] mehr oder weniger als Alibifrau. […] Erst, als sich viele Kabarettisten vom Ensemble-Kabarett abwandten und Soloprogramme darboten, konnten sich auch Frauen, sozusagen ohne männlichen Ballast, kabarettistisch profilieren.
Die Autoren nennen Lisa Fitz in ihren Beispielen an vorderster Stelle, beschreiben aber natürlich auch die Arbeit vieler anderer wichtiger Künstlerinnen – Helen Vita, Ortrud Beginnen, Maren Kroymann, Gabi Lodermeier, das Duo Missfits, Mamma-Grappa aus Köln oder die Macherinnen des Frontfrauen-Festivals.
Ob die bayerische Autorin, Schauspielerin und Musikerin möglichenfalls aufgrund des betont starken und maskulinen Ausdrucks in den Kreis der Erwählten aufgenommen wurde, kann durchaus gefragt werden. Häufig verweisen Interviewer und Rezensenten auf die nicht zimperliche Wortwahl und virile Darstellungsweise. Mit ihren bissigen Texten schaffte sie es mit Gastauftritten bis in die ARD-Satiresendung Scheibenwischer, deren Gründer und Frontmann Dieter Hildebrandt war. Wenngleich Hildebrandt nicht unbedingt für brachial-viriles Kabarett stehe, habe er für Lisa Fitz dennoch Modellcharakter:
Auch mein Mentor Dieter Hildebrandt hat mich sehr geprägt. […] Mein Vorbild konnte er nur theoretisch sein, weil seine Art Kabarett zu machen, ganz anders ist als meine. Dieter ist intellektuell, spitzfindig, feinsinnig, mit profunder Kenntnis der Politik und Wirtschaft und großem Fachwissen. Meine Kunst ist eher gesellschaftspolitisch, bunt, rockig, mit Musik verwoben, und sie haut mehr auf den Putz. Das musste in den Achtzigerjahren auch so sein, speziell bei Frauen. Pionierinnen mussten einfach die Glocke ein bisschen lauter läuten.
Mit Sicherheit ist Lisa Fitz als eine der Vorreiterinnen in Sachen weiblicher Emanzipation zu bezeichnen. Nachhaltig hat sie die deutsche Frauenbewegung der 1980er Jahre geprägt und mitgetragen, wenngleich ihr Mut und ihre ausgesprochene Offenheit in Widersprüchen zu leben, sowohl aktives Lustsubjekt als auch nicht unterwürfiges Lustobjekt zu sein, nicht ohne Friktionen von Boulevardpresse, Männern und anderen Feministinnen rezipiert wurde. Ihre Kabarettprogramme und ihre Kritik an zu starren Rollenbildern nähren jedoch die Emanzipationsbewegung:
Lisa Fitz macht sich auch stark für die neuen sozialen Bewegungen (die 1983, dem Jahr, da der konservative Regierungswechsel durch die Bundestagswahl bestätigt wurde, die größte Mobilisierung erreichen): Ökologie, Frauen, Frieden. Die hyperemotionale Aufladung der Zweier-Beziehung bezeichnet als ‚Beziehungskiste‘ und die Entwicklung einer feministischen Gegenkultur (die ja erst Anfang der siebziger Jahre einsetzt, innerhalb der studentischen Protestbewegung war sie mehr theoretisches Postulat als praktische Realität), bilden dabei die thematischen Schwerpunkte ihrer Programme.
Lisa Fitz verwies unverkennbar auf die sozialen Umbrüche in der westdeutschen Gesellschaft, forderte einen Wandel der Mentalitäten, in dem sie die schwierigen Beziehungen zwischen Männern und Frauen, zwischen Deutschen und ausländischen Mitbürgern beschrieb. Feminismus und Antirassismus kennzeichneten thematisch ihre Monologe, Sketche und Lieder, die mit Verve und Zärtlichkeit übertriebenen deutschen Ordnungssinn, Sexismus und Rassismus anprangerten. Gerade für diese Beherztheit sollte sie 1990 den Deutschen Kleinkunstpreis in der Sparte Lied / Chanson bekommen.
Die engen Verflechtungen zwischen ihrer Arbeit, ihrem privaten und öffentlichen Leben verdienen eine besondere Aufmerksamkeit. Das Private ist geradewegs das Politische. Als sie 1980 den Rockmusiker und Schlagzeuger Ali Khan, Sohn einer Bayerin und eines Persers, nach einer kurzen (geradezu „metaphysischen“) Begegnung heiratete, erhielt sie anonyme Briefe:
Zur Hochzeit – über die auch Bild berichtete – bekam ich Schmähbriefe und war, im Gegensatz zu Ali, der das seit Kindesbeinen an aushalten musste, erstmalig mit Häme und Ablehnung konfrontiert. Anonyme Verfasser schrieben: ‚Jag deinen Teppichhändler zum Teufel, du Schlampe!‘ Und als ich schwanger war, kam die Steigerung: ‚Die Gebärmutter soll dir aus dem Leib faulen.‘
Anstatt zu schweigen und die Boshaftigkeiten still zu schlucken, denunzierte sie den latenten Ausländerhass, die gesammelten Vorurteile der Bürger, den „braunen Schlamm“, indem sie die herabwürdigenden, rassistischen Zitate aus den Briefen in dem satirischen Lied Mein Mann ist Perser zitierte. Das Lied richte sich, so die Kabarettistin, an „all diejenigen […], die diese ‚Gedankenkrankheit‘ während der Nazi-Zeit gelernt und weitergegeben haben.“
Mein Mann ist Perser,
ein ganz perverser,
Teppichhändler, Frau’nvernascher,
Fixer, Wichser, Dealer, Hascher,
chauvinistisch, drogensüchtig,
schreiben kann er auch nicht richtig,
arbeitsscheu und schwul,
und schlägt mich täglich mit dem Stuhl!
Mein Mann ist Perser,
ein ganz perverser.
Die Ahnen machten Menschenraub,
er Rockmusik und wird bald taub
und krank vielleicht – na, nicht verkehrt,
weil er sich dann hier nicht vermehrt,
vielleicht schon vorher stirbt
und nicht das deutsche Blut verdirbt!
Dieses Lied befand sich 1983 auf der Langspielplatte, im gleichnamigen Solotourneeprogramm Die heilige Hur’ sowie 1984 in der Rockshow Ein Perser kommt selten allein am Münchner Volkstheater. Als Single sei es ein Erfolg gewesen, wie die Musikjournalistin Ingeborg Schober in ihrer Rezension über das satirische Album notierte:
Wenn eine beliebte bayerische Volksschauspielerin einen persischen Musiker heiratet, muß das zwangsläufig zu Konflikten mit der Umwelt führen. Lisa Fitz und ihr Ehemann haben diese Erfahrungen auf der ebenso renitenten wie originellen Single Mein Mann ist Perser festgehalten. Den Plattenfirmen war das emotionsgeladene Lied zu heiß, im Selbstvertrieb avancierte es schnell zu einem bayerischen Kulthit.
Die Begegnung mit Ali Khan, ihrem ersten Ehemann, der ein Macho und Emanzen-Coach gewesen sei, eröffneten Lisa Fitz neue Richtungen, familiär und künstlerisch. 1980 produzierten beide das Kabarettprogramm Menschliches. Im Juni 1981 kam dann ihr gemeinsamer Sohn Nepomuk zur Welt. Zwischen 1982 und 1985 übernahm Lisa Fitz Engagements an verschiedenen Bühnen – 1983 spielte sie am Volkstheater München in Glaube und Heimat von Karl Schönherr sowie in der erwähnten Kroetz-Produktion an den Kammerspielen München, 1984 in Figaro läßt sich scheiden von Ödön von Horváth, 1985 in William Shakespeares Sommernachtstraum und in Arthur Millers Hexenjagd. Das Sprechtheater, so Lisa Fitz 1993, zwänge sie aber zu sehr ein, auch das Frauenbild sei nicht begehrenswert: „Die Frauen in den klassischen Stücken leiden immer und gehen gebrochen ins Wasser.“
Allmählich wurde der Einfluss der Rockmusik, in der Ali Khan zu Hause war, wichtiger und gewichtiger. Lisa Fitz betonte:
Ali ist Rockmusiker (Schlagzeuger) und beeinflußte durch seine Mitarbeit stark meine Songs und Texte, indem er mich unter anderem ermunterte, das provokative Element in ihnen zu belassen.
Sie machte sich zum Sprachrohr eines rebellischen Geschlechts. Seit 1983 trat Lisa Fitz in mehreren hundert Orten mit dem Soloprogramm Die heilige Hur’ auf, in Bürgerzentren, Stadthallen, Gemeindesälen, auf Kleinkunstbühnen und in Kellertheatern, in Studentenlokalen wie dem Antagon in Regensburg, vor sozialdemokratischen Frauenvereinen, aber auch in der Alten Oper in Frankfurt oder an der Freien Volksbühne in West-Berlin konnte man den Kabarettabend erleben. Für das sehr mobile, agile Programm reichten zwölf Quadratmeter Bühne mit schwarzem Hintergrund und einer „Befestigungsmöglichkeit“ für den großen, in weißen Kreuzstichen genähten Schriftzug mit dem Programmtitel. Bühnenbild und Requisite waren für die Gastspiele schlicht: „ein schwarzer Stuhl, ein schwarzer Tisch, schwarzer Paravent und ein Glas Trinkwasser (ohne Kohlensäure!) auf dem Tisch“, belegte Brote, Cola und Fanta, eine Thermoskanne Kaffee oder Tee in der hoffentlich sauberen Garderobe „mit großem Schminkspiegel“ sollten von den örtlichen Veranstaltern bereitgestellt werden, ist in der Bühnenanweisung des sorgsamen Technikers Alfred Hofmaier nachzulesen. Zwei nackte Schaufensterpuppen brachte Lisa Fitz mit. Die heilige Hur’ begann mit einer Umkleidenummer, bespielte thematisch die verschiedenen Frauen- und Männerbilder und zeigte die Unzulänglichkeiten moderner, emanzipierter Frauen auf. In einem Bericht heißt es:
Gehen wir davon aus, daß wir es im Fall der Lisa F. mit einem widerborstigen Ex-Fräulein zu tun haben, dem das Herz nicht gleich in die Hose rutscht, wenn sie die Hose runterläßt. Lisa Fitz steht zu Anfang da, […] probt sie (fast) einen Nacktakt: ‚Raus aus der Hose / rein in den Rock! / Auf Emanzen und so / hat das Volk keinen Bock!‘ Dann schlüpfte sie in ihr Röckchen, wobei manch Böckchen feuchte Augen kriegt.
Sowohl Macho-Männer als auch unterwürfige Hausfrauen wurden im Programm Die heilige Hur’ aufs Korn genommen, wie auch die Berliner Presse noch Ende der 1980er Jahre registrierte. Die Sprüche waren kurz, zugleich präzise soziologische Analysen:
Was man in Intellektuellenkreisen ‚weibliches Rollenverhalten‘ nennt, sieht im profanen Alltag so aus: ‚Hauptsache jung, schön und sexy.‘ Emanzipierte sind out – Weibchen sind in. Und darum erscheint auch Lisa in Straß und Glitzerhemd, um mit flotten Szenen und Liedern, deftigen Sprüchen und Reimen omnipotente Mannsbilder von ihren Sockeln zu heben. Schließlich: ‚Nicht die Frauen sind das schwache Geschlecht, die Männer haben es.‘
Die außerordentlich zahlreichen Besprechungen in regionalen Tageszeitungen verweisen auf die komödiantischen Qualitäten des Programms, insbesondere auf eine herausragende Grimassen-Nummer, ein herber Kommentar zu ästhetischer Chirurgie und untertänigen Frauen, die nicht zu ihrem Alter stehen wollen. Der Lifting-Sketch ist wahrlich ein Meilenstein mimischer Darstellungskunst, den Lisa Fitz noch heute als Zugabe ihrer aktuellen Programme bietet:
Die desemanzipierte [!] Frau, ja, so wird man es wohl nennen müssen, sie lispelt die Konsonanten, als hätte sie ein Löffelchen Spinat im Mund, sie läßt sich solange liften, bis ihr in gelungener Selbst-Travestie die Annäherung ans powangige Plastikideal einer Beate Uhse-Puppe halbwegs gelungen ist, von Lisa Fitz in einer grausig komischen Nummer vorgeführt.
Dass ein schon über mehrere Jahre laufendes Kabarettprogramm zum Thema Frauen und Männer energisch rezipiert wird und allein schon aufgrund des (scheinbar) provokativen Titels viele Diskussionen verursachen kann, wird durch das Studium des Archivmaterials deutlich. In einem Leserbrief vom 5. Juni 1986, den die eher CSU-nahe Nürnberger Zeitung veröffentlichte, war von einer Gebetsmahnwache gegen einen Auftritt von Lisa Fitz im mittelfränkischen Heroldsberg zu erfahren. Bei dieser sogenannten Sühneaktion nahm auch die Autorin des Leserbriefes (aus Höchstadt an der Aisch) teil und sah, wie „ein aktiver Mitstreiter“ die Nerven verlor, wohl verbal und handgreiflich ausfällig wurde („es kam zu einer unvorhergesehenen Reaktion“) angesichts der Polizei und sozialdemokratischer Genossen, die das Kabarettprogramm verteidigten. Die empörte Christin schrieb:
Durch unsere Demonstration […] wollten wir – stellvertretend für viele Christen – Sühne leisten für alle Verfehlungen der Emanzipationsbewegung, besonders aber noch nachträglich für das schon vor längerer Zeit aufgeführte Kabarett Passauereien von Sigi Zimmerschied […]. Wenn die Genossen die Kabarettistin Lisa Fitz mit dem Ruf einer ‚heiligen Hure‘ umgeben wollen (in märtyrerhafter Absicht!), so ist das ihr gutes Recht und meines Erachtens ‚Geschmacksache‘.
Furcht vor Überreaktionen sich leicht echauffierender Katholiken, die schlicht und ergreifend vor den Ideen der protestantischen Kabarettistin sich wohl fürchteten oder durch Medienmeldungen über den Protest gegen Lisa Fitz von deren wachsender Bekanntheit profitieren wollten, waren bei einem anderen geplanten Gastspiel ebenfalls zu finden. Zum Muttertag 1987 plante das Salzburger Landesfrauenreferat des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) eine besondere Feier. Rund 840 Frauen sollten am 9. Mai 1987 im Landestheater Salzburg feministisches Kabarett sehen, Lisa Fitz wurde mit ihrem Programm Die heilige Hur’ fest engagiert. Titel und Programm sorgten allerdings mehrere Wochen vor der Aufführung bei gewissen Repräsentanten des ÖGB für Unruhe. Bei nachträglichen Verhandlungen war Lisa Fitz soweit, als Alternativtitel „Original-Titel wurde vom örtlichen Veranstalter zensiert“ vorzuschlagen. Nach einem Telefongespräch schrieb Lisa Fitz einen zum Teil geharnischten Brief an die Organisatoren der Salzburger Muttertagsfeier und erklärte ihnen den Titel – wie auch im Programm selbst – anhand der wissenschaftlichen und psychologischen Bezüge:
Das Kabarettprogramm DIE HEILIGE HUR’ wurde über 350 mal in Deutschland, [in der] Schweiz und Österreich aufgeführt, mit außerordentlichem Erfolg. Es lief auch in weitaus ‚katholischeren‘ Städten wie Salzburg, z. B. in Passau und Bayreuth. […] die HEILIGE HUR’ ist ein Begriff aus der psychologischen Wissenschaft, längst aber populär gemacht durch alle Medien – und umreißt die Spaltung des Frauenbildes, die im Mann stattfindet, wenn er mit Beginn der Pubertät entdeckt, daß seine Sexualität nicht die geliebte Mutter einschließen kann. Also fängt er an, in ‚heilige, tabuisierte Mütter‘ und liebesgeeignete Huren einzuteilen – und diese Einteilung behält er bei den Frauen, wenn es dumm geht, bei. Die Wissenschaft spricht von dem ‚HUREN-MADONNEN-KOMPLEX‘.
In einem persönlichen Brief versuchte Karin Beer, die Salzburger ÖGB-Frauenreferentin, der Kabarettistin die Gründe für die nachträgliche, peinliche Absage zu erläutern. Nicht die „Damen“ des ÖGB seien für die zähen Nachverhandlungen und die abschließende Ausladung verantwortlich gewesen, sondern die Männer aus der Führungsebene:
Das mittlerweile zum Politikum gewordene Trauerspiel um unsere diesjährige Muttertagsfeier führte nun zu einer Beerdigung erster Klasse […]. Da die nächsten Arbeiterkammerwahlen bevorstehen, und der Wahlkampf voll eingesetzt hat, fürchten unsere Herren (im obersten Gremium sitzen nur die Herren der Schöpfung) einen Aufschrei der christlichen Fraktion, der in den Zeitungen genüßlich verbreitet werden könnte. […] Last but not least bedaure ich die Absage zutiefst, der Sprung von den traditionellen Operetten zum ‚Frauen‘kabarett war wohl angesichts der Verhältnisse in unserer Organisation zu krass.
Sechs Wochen später konnten allerdings neugierige fortschrittliche Salzburgerinnen Lisa Fitz bei einem anderen Veranstalter mit dem neuen Programm Ladyboss sehen, das sie mit ihrem Mann Ali Khan und dessen Rockformation Hydra Connection präsentierte. Statt Solokabarett kam die „ganz große Rockshow, in ganz großer Aufmachung, mit viel Light und Sound“, so Lisa Fitz. Die Themen waren „trügerische Familienidylle, eine weiberregierte Welt, Aids und Pornographie“, wie das Spandauer Volksblatt einige Jahre später ankündigte. In Ladyboss schaffte Lisa Fitz auch eine Ikone mit hohem Wiedererkennungswert: die Frau in Leder, die an eine herrschsüchtige Domina erinnert. Sie stand im Mittelpunkt der Rockformation, „langbeinig, schlank, blond, perfektes Make-up; das Bühnen-Outfit besteht aus knappem schwarzem Lederschurz und schulterbetontem, weißem Westchen.“ Ihr Leder-Outfit sorge „für die entsprechende visuelle Unterstützung der Texte“, wie eben für Die Frau in Leder, ein Lied über das gewaltige Matriarchat.
Ich bin die Frau in Leder
Und ein bißchen streng;
tolerant is a jeder,
ich seh alles eng.
[…]
Mein Gatte ist nur glücklich,
wenn er folgen darf,
und Bestrafung, ungerechte,
macht ihn richtig scharf !
[…]
Alle die, bei denen Mutti
dominiert hat, lieben mich;
Kindheitsängsten ausgeliefert,
geben sie ihren Trieben sich.
Das neue Programm, Beweis stetiger und konsequenter Wandelbarkeit der Künstlerin, konnte aber auch Publikumserwartungen enttäuschen und Zuschauer erschrecken, so anlässlich des Düsseldorfer Gastspiels von Ladyboss im Februar 1988.
Lisa Fitz hat sich mit diesem Rockprogramm auf Neuland gewagt und sich damit nicht nur Freunde gemacht. So verließen einige Zuschauer, offenbar verwirrt, den Schumann-Saal, als Lisa Fitz mit ihrer siebenköpfigen Begleitgruppe so richtig losfetzte. Nichts mehr zu spüren von der Liedermacherin Lisa Fitz. Dafür aber die Rockerin Lisa Fitz. Im zwar nicht geräuscharm, dafür exzellent ausgesteuerten Gesamtsound ist jedes Wort zu verstehen, denn die Dame hat einiges zu sagen. […] Lisa Fitz kommt schnell und gewaltig.
Sechs Jahre später notierte Markus M. Ronner über das gemischte Publikum in einer mit spitzer Feder geschriebenen Kolumne:
So erhofften sich Anhänger ihrer ‚künstlerischen Steinzeit‘ noch immer eine Rückbesinnung auf alte Werte, Trendsetter des Zeitgeists verzeihen ihr den Folk-Touch vergangener Tage nicht; emanzipatorisch Gesinnte stoßen sich an ihrer offen zur Schau getragenen Manneslust, kabarettistisch Geneigte stört die lärmige Musik, und Rocker jaulen auf, wenn sie ihre leisen Momente hat; landläufige Frauenzimmer mißgönnen ihr die Frage: ‚Was soll ich mit einem Mann, wenn ich mehrere haben kann?‘, und gestandene Mannsbilder verübeln ihr, daß sie sich nur von einem ‚Chippendale‘ im ‚Jackie O.‘ am Busen grapschen läßt. Und genau so, fast wie seinerzeit das Kalb mit den zwei Köpfen in schummriger Jahrmarktbude, läßt man sie heute unter immer gleicher Erwartungshaltung in der Talkshow auftreten.
Während Die heilige Hur’ ein Soloprogramm mit Liedern zur klassischen Konzertgitarre war, stellte Ladyboss verstärkte Anreize. Über die Vorzüge der Rockmusik sprach die „Grenzgängerin“ in einem Portrait im Juni 1987 und berichtete ebenso von der wohltuenden Arbeit im Kollektiv:
Durchs Kabarett wird man innerlich frech, aber es ist sehr kopflastig, man spricht ja nur. Die Rockmusik dagegen bezieht den Körper voll mit ein, erfordert Mut zur Größe, Theatralik und zu großen Bewegungen. Man spürt sich plötzlich in allen Fasern. Fühlt sich frei und selbstbewußt. Gerade diese Musik zu machen ist ja kein plötzlicher Einfall von mir, ich bin mit den Beatles, Rolling Stones groß geworden, das ist meine Musik, die mich in der Pubertät getroffen hat. Diese Art von Arbeit macht mir im Augenblick wahnsinnig viel Spaß, schon deshalb, weil man dabei in einer Gruppe ist. Als Entertainer ist man nämlich manchmal ganz schön einsam.
Ebenso kam sie auf die Erfordernisse des Tourneelebens zu sprechen. Ali Khan, ehemaliger Stuntdrummer für Falco, und Lisa Fitz sind nicht nur Kollegen eines Wanderrockzirkus, sondern auch Eltern ihres Sohnes Nepomuk. Wie organisierten und koordinierten sie Familienleben und Engagements in verschiedenen deutschsprachigen Veranstaltungsorten? Die Oma, Alis Mutter [Maria Rohm], mache Büroarbeiten und hüte den Enkelsohn, wenn die Eltern nicht im niederbayerischen Simbach seien. Auch im Interview mit Deutschlandradio kam Lisa Fitz auf die Verbindung zwischen der Arbeit als Tourneekünstlerin und Mutter zu sprechen. Ständig galt es, die Gastspiele familiengerecht zu terminieren:
Bis zu seinem [siebten, achten] Lebensjahr waren wir eine ziemlich normale Familie […]. Und die Mutter vom Ali, die ist eine zauberhafte Oma und Person, und die ist immer in der Nähe von uns gewesen und die hat ihn mit großgezogen. Und es ist ja net so, daß ich das ganze Jahr weg bin auf Tournee dauernd. Ich hab keine so Monstertourneen, sondern wir teilen das eben ein in Frühjahr und Herbst oder früher waren es 6 Tage im Monat, die man weg ist, und jetzt sind es Frühjahr – Herbst 25 bis 30 Tage, aber nie am Stück, sondern immer Blöcke von vier Tagen und dazwischen zu Hause.
Wie bei anderen Künstlern lag und liegt die besondere Anziehungskraft der Arbeit von Lisa Fitz sicherlich im Zusammenfließen von Elementen aus dem Leben der Privatperson und den Tiraden ihrer Bühnenfiguren. Durch diese Schnittzonen leben die Nummern und Lieder von der Spannung zwischen der Künstlerin und Bühnenfigur, das Publikum kann bzw. will mitunter nur sehr schwer die Trennlinie erkennen.
Das Hineinschlüpfen in eine Rolle, das Präsentieren einer vielleicht auch zum eigenen Ego konträren Figur, hat schon viele Künstler verunsichert. Nicht beim Erarbeiten eines Textes oder des Liedes, sondern durch die Reaktionen der Öffentlichkeit. Ist es vielleicht eine deutsche Krankheit oder Mangelerscheinung, nicht zwischen gespielter Kunstrolle und Realität unterscheiden zu können? […] Lisa Fitz aber besteht weiterhin darauf, daß es eine Unterscheidung zwischen einer auf der Bühne gespielten Rolle und der eigenen Persönlichkeit geben darf und muß. Und daß man dem Publikum zumuten muß und darf, den Unterschied zwischen der Rolle und dem Künstler zu erkennen. ‚Aber in diesem Punkt habe ich sogar innerhalb meiner eigenen Familie Schwierigkeiten.‘
Beispiele können Texte über Haremgedanken wie Frauen sind polygam, die Männer- und Liebhabertypologien sowie Gehn Sie fremd! sein, ein Lied und ein Aufruf zu weiblichem Ehebruch und Vielmännerei. Diese Nummern, die Lisa Fitz in verschiedenen Kabarettprogrammen einbaute, bekommen im Hintergrund der verschiedenen Aussagen der Privatperson in Fernseh-Talkshows, in Zeitschriften, in Quick oder Cosmopolitan, eine Lesart, die eine Eigendynamik beim aufmerksamen Zuschauer gewinnt, der diese Aussagen über das Privatleben der Künstlerin kennt. Die Argumente im Song Gehn Sie fremd! sind klar dargestellt:
Ein Mann ist langweilig,
Monotonie macht dick!
[…]
Ich bitte Sie, verschonen
Sie mich mit Ihren dummen Konventionen
Weil ich eh schon meisterhaft
diesen ganzen Scheiß verkraft,
will ich in der Freizeit einen
süßen, starken, geilen, kleinen
Buben, der mich unterhält,
wenn es sein muß – auch für Geld!
Selbstkritik und Ironie charakterisieren so manche Kabarettzeile von Lisa Fitz. Mit den Texten zum Programm Geld Macht Geil (1989) spielte die durchaus sehr SPD-treue Kabarettistin auf den Hang anderer Stars, aber auch linker Kollegen an, sich vom Geld korrumpieren zu lassen. Im weißen Nerz und rotem Brokatkleid trat sie auf und erzählte im Sketch Geldgeil, wie sich die Welt der Kleinkunstarbeiterinnen geändert hat.
[Das Kleid] hat übrigens 1600,– DM gekostet. Das ist das Netto-Gehalt einer Krankenschwester. Tja, die Zeiten sind vorbei, wo eine Kabarettistin eine arme, linke Kleinkunst-Sau war, die nach zweistündiger Verbal-Revolution, quasi Sprechdurchfall, verbittert die Bühne verläßt und dann womöglich mit dem Hut in der Hand sammeln geht für a warms Essen und die Heimfahrt! Na, naa …! Gegessen wird im Hilton […] und die Heimfahrt besorgt der Chauffeur – und zwar in dem Wagen, der von der Partei bezahlt wird, die die Veranstaltung sponsert.
Mit dem Programm sei sie zur Beschmutzerin des eigenen Nestes geworden, aus einer eigenen, wichtigen Erfahrung, wie sie in einem Interview in der Münchener Kleinkunstzeitung Sorry sagte:
Ich habe an mir selbst beobachtet, daß man plötzlich mit dem Erwerb eines Hauses Gefahr läuft […] korrumpiert zu werden. Und mit dem Programm habe ich auch ins eigene Nest geschissen, weil ich gesagt habe, daß es so viele Kabarettisten gibt, die links sprechen und rechts leben und Mordsgagen kassieren – auch ich kassiere gern hohe Gagen –, und daß man davon überhaupt nicht frei bleibt.
Demontage vaterländischer und religiöser Tabus
In den Nummern von Heil! erschien die Kabarettistin – auf Tournee seit 1993 – im schwarz-rot-goldenen Lederkorsett, aber auch im Schlafanzug, um Ordnungs- und Trostsysteme sowie Therapien aller Art zu hinterfragen. Lisa Fitz, „der sprachliche und schauspielerische Orkan“, fegte damit auch „durch die ausverkaufte Halle 6 auf Kampnagel“ in Hamburg, wie eine taz-Rezensentin begeistert meldete. Während sie in Genießen erlaubt, einem „weiß-blauen Kochbuch“, dem Koch Alfons Schuhbeck humoristische und kulinarische Seiten beisteuerte, so zum Schweinsbraten, wurden in der folgenden knallenden Kabarettproduktion Kruzifix (1996) bayerische Heiligtümer demontiert. Der damalige, aktuelle Streit um Kruzifixe in bayerischen Schulzimmern war der Ausgangspunkt für eine Rockcomedy, die für Turbulenzen in manchen Tourneeorten sorgen sollte. Der Text war treffsicher. Lisa Fitz spielte die Gottesmutter Maria, Ex-Mann Ali Khan den Erzengel Gabriel. Maria hatte deutliche Worte gegenüber dem Bestreben, die Kreuze in bayerischen Schulzimmern abzuhängen. Der Vortrag changierte zwischen Hochdeutsch und Mundartpassagen:
Das Kruzifix ist der weiß-blaue Nerv, den, wenn Sie ziehn – ist halb Bayern tot. Ein Anschlag, ja, auf die christlichen Grundwerte, ein Anschlag auf eine selbstgefällige, äh gottgefällige, weiß-blaue Herrlichkeit! Das Kreuz, guter Mann, ist in Bayern so unausweichlich wie die Weißwurscht! Trotz Gottlosigkeit, ja! […] Erst die Abschaffung vom Buß- und Bettag, dann die Arbeitsruhe am Sonntag, dann die Kirchensteuer, und jetzt die Kruzifixe. Kirchenmacht ade! […] Jetzt passens amal auf: Der Katholizismus ist eines der letzten totalitären Systeme der Welt! Und Sie wern wohl nicht im Ernst glauben, daß wir freiwillig an Platz räumen?
Frauen im Marienmantel oder Dirndl sollten wohl nach Gutdünken manches Christsozialen oder Christdemokraten anders sprechen; die Dialekteinfärbung verschärfte den hitzigen Humor. Für manche war dieser Humor äußerst provokativ. In Österreich und anderen vom Katholizismus geprägten deutschen Regionen wurde das Kabarettprogramm Kruzifix durchaus als blasphemisch rezipiert, als Angriffe auf das christliche Abendland, beispielsweise in Mosbach oder im österreichischen Braunau am Inn – Lisa Fitz wohnte zeitweise im benachbarten niederbayerischen Simbach, auf der anderen „Innseite“. Reißerisch berichtete die Münchener Ausgabe der Bild-Zeitung über „[h]eftige Katholikenproteste gegen ihr neues Kabarettprogramm“ eine Woche vor der Premiere in Schrobenhausen (Oberbayern).
Und genau dort [in Österreich] ist jetzt bereits ein wilder Streit um Lisa Fitz entbrannt. Selbst der Staatsanwalt muß ermitteln. In der historisch schwer belasteten Stadt Braunau in Oberösterreich, wo 95 Prozent der Bevölkerung katholisch sind, soll Kruzifix am 18. April [1996] laufen. […] Kaum waren die Ankündigungstafeln in der Stadt aufgestellt, gingen schon Anzeigen beim Landratsamt ein.
Weitaus differenzierter berichtete die Passauer Neue Presse einige Tage vor der Aufführung in Braunau am Inn; nur ein paar fundamentalistische Katholiken seien erregt und würden gegen das Programm kämpfen.
Die Braunauer Pfarrer denken jedenfalls nicht daran, den Ruf nach einem Verbot der […] Aufführung zu unterstützen. Seit einigen Tagen schwebt das Damoklesschwert des Verbots wegen Blasphemie. Die Staatsanwaltschaft Linz ermittelt nach einer anonymen Anzeige wegen Blasphemie-Verdachtes, die Raiffeisenkasse hat den Kartenvorverkauf vorsorglich gestoppt. […] Lisa Fitz und Ali Khan versuchten am Sonntag vor Ort, ihren unbekannten Gegnern Wind aus den Segeln zu nehmen. ‚Es ist eine dramatische Ignoranz, wenn man sich gegen ein Stück stellt, dessen Inhalt man gar nicht kennt‘, stellten beide in Braunau in einer Pressekonferenz fest. Und Ali Khan beruhigte: ‚Es werden weder Hasen gekreuzigt, noch wird die Heilige Maria nackt gezeigt.‘
Am besten schließe ich mit den Schlussworten Marias im Kruzifix-Programm, keusch und adrett im Schleier. Sie erinnern an Karl Marx und seinen Vergleich des religiösen Betäubungsmittels für das Volk:
Je mehr der Mensch glaubt, desto weniger weiß er, je weniger er weiß, desto dümmer ist er – je dümmer er ist, desto leichter kann man ihn regieren.
Politische Analysen sind in Lisa Fitz’ Kabarett allgegenwärtig und reduzieren sich nicht auf böses Politikerbashing, wenngleich im Programm Super Plus! Tanken & Beten (2008) durchaus vielsagende Beispiele für mehr oder weniger ansprechende, fesche Anzugträger in den Reihen der CSU zu finden sind.
Der Preis der Freiheit – Abschluss und Ausblick
Lisa Fitz ist eine paradigmatisch freiheitssuchende, multiple Künstlerin und Unternehmerin, ist Schauspielerin und zugleich Autorin ihrer Texte. Sie nutzt die allmählich eroberte Autonomie und Freiheit, das Glück, eigene Chefin zu sein:
Und nicht zuletzt bin ich meine eigene Managerin und werde nicht von einem Produzenten verwaltet, der mir eventuell noch vorschreibt, wie ich mich anzuziehen habe.
Als Frau des Textes im Kabarett, das sie um Elemente der Rockmusik erweiterte und ergänzte, hat sie gewiss ihren eigenen, unverwechselbaren Stil entwickelt und verteidigt ihn „gegen Manipulationen“ jeder Art. Durchaus macht sie Anleihen im bayerischen Volks- und Unterhaltungstheater: sicherlich ist sie in die Tradition bayerischer Volkskünstlerinnen wie insbesondere Liesl Karlstadt einzureihen. Lisa Fitz stellt mit kritischer, doppelbödiger Ironie die bayerischen Identitäten in Frage, packt auch Tabus an. Trotz ihres immerwährenden Hanges zu außergewöhnlichen Erfahrungen als Teilnehmerin an einer Realitätsfernsehshow im Dschungel oder auch als Döner essende, über Ausländer lästernde Türkenmadonna im Deutschen Mittagstisch von Thomas Bernhard in der beachtenswerten Inszenierung von Birgitta Linde, einer Koproduktion des Künstlerhauses Mousonturm in Frankfurt und des Gostner Hoftheaters in Nürnberg, bleibt sie vor allem und in erster Linie eine der wichtigsten deutschen Vertreterinnen des politisch-literarischen Kabaretts. Nicht die feste stehende Bühne, wie es das Kom(m)ödchen in Düsseldorf bei Lore Lorentz war, sondern das Tourneegeschäft ist ihr Zuhause. Mit der Gründung einer eigenen Kabarettschule, ein ebenfalls unternehmerisches Wagnis, stellt sie sich in eine Tradition, will Handwerkszeug an die nächsten Darstellergenerationen weitergeben und dabei gleichzeitig selbst noch mit voller Kraft und Lust auf der Bühne stehen, wenngleich es eine Sisyphos-Arbeit sei, die Welt mit Kabarett verändern zu wollen:
Kabarett bewirkt gar nichts. Gegen diese Erkenntnis schreibt man als Kabarettist dauernd an. Man will die Welt verbessern, deswegen schreibt man, obwohl’s gleichzeitig so eine Erkenntnis gibt. Nicht schön – trotzdem versucht man’s.
Immerhin sei das Kabarett ein Ort der Freiheit, ein Ort ohne das männliche Diktat an Frauen, ewige Jugend und Schönheit zu zeigen:
Als Frau stehst du immer unter einem gewissen Druck, als Model, als Rocksängerin hast du mit fünfzig den Hut zu nehmen, oder, es sei denn, du bleibst zwanzig Jahre lang dreißig […]. In der Abteilung Humor, Komik, Schauspiel kannst du solange auf der Bühne bleiben, bis du tot umfällst.
Lisa Fitz geht also sicherlich mit 63 noch lange nicht in Rente …