(von Rudolf Ogiermann, Münchner Merkur)
München – Reines „Frauenkabarett“ war Lisa Fitz’ Sache nie. Die 66-Jährige, die vor mehr als drei Jahrzehnten als „Heilige Hur“ debütierte, verstand sich stets als vor allem politische Künstlerin. Auch in ihrem aktuellen Programm „Weltmeisterinnen – Gewonnen wird im Kopf“ geht es zur Sache. In vier verschiedenen Frauenrollen räsoniert Fitz über den gläsernen Menschen, die Weltpolitik, die Medienlandschaft und das Innenleben der CSU. Ein Gespräch über die USA und Russland, Populismus, Journalismus und die aktuelle Debatte über sexuelle Belästigung.
Inwiefern sind die vier Frauen, die Sie in „Weltmeisterinnen – Gewonnen wird im Kopf“ verkörpern, die Besten in ihrer Disziplin?
Lisa Fitz: Jede dieser vier Figuren ist Weltmeisterin in ihrem Kosmos, sie hat ihre Weltsicht und ihr Rezept für die Bewältigung der persönlichen und politischen Probleme. Der Untertitel ist eigentlich ein Credo von Sportlern, das besagt, dass unser Denken darüber entscheidet, ob wir bei einer Sache Erfolg haben oder scheitern. Wenn man sich einredet, dass man etwas nicht schafft, verzagt man oder beginnt das geplante Projekt oft gar nicht erst.
Die politischste Figur ist zweifellos Olga, die über Geostrategie referiert, mit Weltkarte und Zeigestock. Hört sich an und sieht aus wie das gute, alte Belehrungskabarett…
Fitz: „Belehrungskabarett“ – igitt! Nein, bei Olga wird viel gelacht, die Leute lieben sie! Ich bin ja Komödiantin, keine Erzieherin. Man kann Leute in ihrer Meinung bestärken, ihnen die Augen öffnen oder alternative Sichtweisen anbieten. Vom Kabarett unkt man ja seit jeher, dass es „tot“ sei und „nichts bewirkt“. Einige unserer Vorzeigekabarettisten spielen in Sälen mit bis zu 2000 Leuten, ich vor bis zu 1000. Das Geschäft boomt. Ich denke schon, dass der IQ Gegenwart und Zukunft hat. Wir dürfen noch ungestraft, frech und laut unsere Meinung sagen, das wird vom Publikum ersehnt und honoriert. In der ARD wurde neulich beschlossen, dass die Nachrichten einfacher formuliert werden müssen, damit sie alle Leute verstehen. Schrecklich, oder? Da braucht man zumindest intelligentes Kabarett.
Bei Olga sind die Amis die Bösen und die Russen die Guten – das sind Positionen, die auch viele in der AfD vertreten. Einschließlich der These, dass die Bundesregierung von den USA „ferngesteuert“ werde. Was davon ist Olga, was Lisa Fitz?
Fitz: Jede Figur ist auch Lisa Fitz. Don Carlos ist auch Schiller, Shakespeare ist auch Hamlet und trotzdem kein Mörder. Jeder Dramatiker entwirft Figuren und lässt sie sprechen. Und die Position wird nicht nur „in der AfD vertreten“, wie Sie sagen, sondern auch von den Linken und von Teilen der SPD und im Übrigen von allen Menschen, die keinen Krieg mit Russland wollen. In den meisten Medien sind die Russen vorwiegend die Bösen, diese Sicht halte ich für ziemlich beschränkt. Sie spionieren und werfen Bomben – würden die USA nie tun, oder? Die USA haben weltweit über 1000 Militärstützpunkte, die Russen außerhalb ihres Territoriums fünf. Wer die von den US-Vordenkern wie beispielsweise George Friedman propagierten Geostrategien und Thesen kennt und in der amerikanischen Kriegsgeschichte belesen ist, weiß, wie es ist. Friedman sagt wörtlich, dass eine russisch-deutsche Annäherung oder Freundschaft unter allen Umständen verhindert werden müsse, weil es den USA schade. Die „Washington Post“ darf schreiben: „Wir brauchen wieder große Kriege, das stimuliert die US-Wirtschaft.“ Man muss halt viel lesen. Der Linkspopulismus ist übrigens genauso platt wie der Rechtspopulismus wie auch der grüne und, sorry, vor allem der der Kanzlerin. Die ist die Queen des Populismus. Der populistischste Satz überhaupt war wohl: „Wir schaffen das.“ Oder nicht?
Auch die Medien bekommen ihr Fett weg. Journalisten schrieben nur noch voneinander ab, Chefredakteure hätten „das Rückgrat einer Nacktschnecke“, sagt Ihr Alter Ego Inge von Stein. Woran machen Sie Ihre Kritik fest?
Fitz: Inge sagt noch viel mehr, und die anwesenden Journalisten merken meistens, dass sie geistig fit ist und nachdenkt. Ja, es hat sich verschlimmert. Journalisten müssen durch sinkende Verkaufszahlen und alternative Medien zunehmend um ihren Job bangen und haben bei Weitem nicht mehr den Biss wie früher, wirklich kritische und provozierende Artikel gegen den Mainstream zu schreiben, die nicht Opium fürs Volk oder Hofberichterstattung sind.
Haben Sie keine Angst davor, dass Sie die AfD vereinnahmen könnte? Oder auf der anderen Seite das klassische Kabarettpublikum Sie in eine Schublade steckt?
Fitz: Ich bin seit über 40 Jahren in der Öffentlichkeit und Kabarettistin. Seit jeher hat immer irgendwer oder irgendeine Partei versucht, mich zu vereinnahmen. Im Moment mag ich niemand, ich kann dieses kindische, lobbygesteuerte Gekläffe nicht mehr hören. Und FDP-Chef Christian Lindner hat bei Maybrit Illner Sätze von sich gegeben – wenn die einer von der AfD gesagt hätte, wäre man über den hergefallen. Aber Ziele- und Programmklau war ja schon immer ein probates Mittel zum Erfolg.
Ein Abgrund von sexueller Belästigung und Sexismus hat sich in den vergangenen Wochen aufgetan, von Hollywood ausgehend bis in die deutsche Schauspielbranche. Sie waren in der Kabarettszene lange eine von ganz wenigen Frauen – haben Sie auch Erfahrungen gemacht mit Anmache, Übergriffen oder mehr oder weniger subtilen Erpressungsversuchen?
Fitz: Ja, aber ich hab das immer so gehalten: Wenn er mir gefallen hat, hab ich Ja gesagt, wenn nicht, hab ich Nein gesagt. Meine sexuellen Vorlieben oder Abneigungen waren unabhängig von angeblichen beruflichen Vorteilen, ich war da nie bestechlich. Mich hat auch ein reicher Mann nie interessiert. Man muss ja auf solche Anträge nicht eingehen, die probiern’s halt. Ich frag’ mich nur immer: Schauen die auch in den Spiegel? Ich hab’s umgekehrt oft bei Männern probiert, die nicht eingestiegen sind, weil sie Angst vor mir hatten. Die sexuelle Belästigung – und von der rede ich, nicht von sexueller Gewalt – ist vor allem ein Problem der beruflichen Stellung. Wenn eine Krankenschwester einen Arzt an den Hintern fasst, wird er erstaunt gucken und vermutlich nur fragen: „Okay, wann?“
Also viel Lärm um – fast – nichts?
Fitz: Das ganze Buhei hat auch viel mit der verkümmerten oder sagen wir, bei Weitem nicht voll und frei entfalteten Sexualität der Frau zu tun. Mädels ziehen sich an, als würden sie gern zehn Kerle auf einmal bedienen und sagen dann: „Nee, sorry, Anfassen is’ nich.“ Ich muss doch wissen, was ich mit meinem Outfit auslöse, und vor allem, was ich auslösen will. Ich habe immer schon gesagt, weibliche Sexualität ist ein Politikum. Das heißt, wenn die Frau ihre Sexualität so frei und ungehemmt, unter Umständen auch so polygam ausüben und so positiv sehen würde wie ein Mann und ihm besser und ehrlicher erklären könnte, wie dumm er sich oft anstellt, weil er Sex eher als Kopulation denn als Erotik versteht, dann würde sie auch frech sagen können, was sie will und was nicht und dass er bitte die Pfoten wegnehmen soll.
Sie mussten also immer wieder einmal „Pfoten weg!“ sagen?
Fitz: Och, die Anmache war eigentlich Dauerzustand. Politiker, Konzernchefs, Plattenbosse, Tonstudiobetreiber, Produzenten, Musiker. Manchmal haben sie es geschafft und manchmal nicht. Musiker natürlich eher, die waren hübscher. Vielleicht ist der Unterschied, dass ich sehr abenteuerlustig war und das eher interessant fand, es waren wirklich viele…