Seit 35 Jahren macht Lisa Fitz eigene Kabarett-Programme. Ein Sonntagsgespräch über Wahrheit und Fake News, unfaire Unterstellungen und den souveränen Umgang mit sexuellen Übergriffen.
So!: Frau Fitz, Ihr neues Programm heißt „Flüsterwitz“. Entschuldigung, aber das klingt überhaupt nicht nach Ihnen.
Lisa Fitz: Sie meinen, weil das leise klingt, wo man mich doch eher als laut und deutlich kennt? (lacht) Der „Flüsterwitz“ ist ein Begriff aus Diktaturen, ein politischer Witz. Den erzählte man sich hinter vorgehaltener Hand. Sie sehen, hinter dem Titel wird’s politisch und das klingt doch wieder nach mir, meinen Sie nicht?
So!: Werden Sie mit „Flüsterwitz“ noch politischer? Diese Form des Humors stammt ja aus autoritären Systemen, in denen man bei bestimmten Witzen mit Repressalien rechnen musste.
Fitz: Im Programm „Flüsterwitz“ geht es viel um Politik. Um Tittitainment, um Populismus, Heimat und auch um den Infokrieg, der politisch inkorrekt, unsauber und oft paranoid im Netz tobt. Da steht Mainstream gegen Fake News, Trolls und es gibt auch echte Raritäten, die man im Fernsehen nie hört. Ich stelle mir und dem Publikum die Frage, ob wir in unserer demokratischen Diktatur der Parteien schon so weit sind, dass wir Flüsterwitze brauchen.
So!: Haben Sie selbst als Reaktion auf Ihre Aussagen schon Repressalien erlebt?
Fitz: Ooch, nicht wirklich. Und wer austeilt, muss auch einstecken können! (lacht) .
So!: Mit Ihrem auf Youtube veröffentlichten Song „Ich sehe was, was du nicht siehst“ haben Sie im Januar eine Welle der Empörung losgetreten, wurden beschuldigt, antisemitische Verschwörungstheorien zu bedienen. Ihre Entgegnung?
Fitz: Also Moment … erstmal gab es von allen Seiten ad hoc eine immens hohe Welle der Zustimmung, die viel stärker war als die paar Einzelmeinungen, die gleich „Verschwörung“ und mehr gewittert haben, wo man doch im Prinzip nur deren eigene Blätter lesen muss, um das nackte Grauen zu bekommen. Ob es sich um den VW-Betrug, die Gaddafi-Spendengelder an Sarkozy handelt, oder darum, dass Scholz einen Goldman Sachs Banker als Staatsekretär einsetzt, das sind nur drei von x Fällen. Ich kritisiere im Song – unter vielem anderen – auch die übergroße Finanzmacht. Die eingangs erwähnten Vorwürfe sind unsinnig, wer meine Vita als Künstlerin kennt, der weiß das auch. Die Unterstellung, ich würde mit Antisemitismus gezielt provozieren, hat ein Redakteur des ZDF sogar als „infam“ bezeichnet. Ich habe schon gegen Rassismus gekämpft, da war der Großteil dieser Naseweise noch gar nicht auf der Welt. Wenn ich als Kabarettistin nicht mehr Goldman Sachs kritisieren darf, was schon die ZDF „Anstalt“, die „heute-show“ und Markus Barwasser u.v.a. Kollegen gemacht haben (siehe arte-Doku „Goldman Sachs – Eine Bank lenkt die Welt – arte | programm.ARD.de“) – wenn ich das nicht mehr darf, dann wird’s echt seltsam in diesem Lande… Es muss möglich sein, ein Imperium wie Goldman Sachs zu kritisieren, auch weil keiner die Finger so tief in der globalen Politik hat. Und nicht nur die. Und wenn man das nicht mehr darf, wozu ist dann ein Kabarettist da?
So!: Ihr neues Album, auf dem auch dieses Lied sein wird, soll im Sommer erscheinen. Gegen Kritik aus welchen Ecken müssen Sie sich dann zusätzlich wappnen?
Fitz: Ich wappne mich, indem ich Fakten und Argumente sammle, manches irre Zeug lass ich einfach ins Leere laufen und manchmal muss man antworten: „Dein Horizont ist ein Kreis mit dem Radius Null und die einzige Konstante in deinem Leben ist die Unwissenheit.“ Und man muss ständig Quellen suchen und prüfen, das ist viel Arbeit.
So!: Was sind denn so „Flüsterwitz“-Situationen, in denen man hört, man dürfe „so etwas ja nicht laut sagen“?
Fitz: Das sagen mir Zuschauer, die nach der Show zum Autogramme holen kommen. Natürlich geht es dabei auch um die Migrationspolitik, um die US-Politik, um Russland usw.
So!: Haben Sie das Gefühl, dass die Menschen in unserer Demokratie von den Parteien mundtot gemacht werden?
Fitz: Dazu gibt es einen schönen Spruch: „Wer in der Demokratie die Wahrheit sagt, wird von der Masse getötet.“ – Platon.
So!: Geht unsere Diskussionskultur den Bach runter? Wird Political Correctness zur Meinungsdiktatur?
Fitz: Yes, möglicherweise.
So!: Als Spaßmacherin leben Sie ja von der Respektlosigkeit den Mächtigen gegenüber. Haben Sie denn auch mit 66 immer noch Lust, überall anzuecken?
Fitz: So ist es. Aber ich ecke nicht an, weil ich „Spaßmacherin“ bin, ein falsches Wort, oder gar Schickimicki-Revoluzzerin aus Lust an der Provokation per se, sondern weil ich mich immer und überall und seit jeher für den Frieden, die Wahrheit, die Aufklärung und die Bildung einsetze. Und nicht für Konsum und Profitmaximierung und Geld und das kriegerische Einfallen in fremde Länder unter dem Deckmantel „Humanitäre Aktion“, wo eigentlich „Ressourcenkrieg“ draufstehen sollte.
So!: Sie haben unlängst Horst Seehofer zitiert: „Diejenigen, die entscheiden, sind nicht gewählt. Und diejenigen, die gewählt werden, haben nichts zu entscheiden.“ Ist das wirklich so?
Fitz: Sehr oft Ja. Zumindest, was die großen gesteckten Linien betrifft und in der Folge die nationalen Zusammenhänge mit der globalen Geostrategie
So!: Sie waren wesentlich an der Entwicklung des deutschen Kabaretts beteiligt. Was hat sich über die Jahre verändert? Und: Wohin geht die Entwicklung?
Fitz: Früher gab es Wehner und Strauß, da ging’s ab im Bundestag! Die konnten die Kabarettisten kaum niedermachen, die waren einfach besser, schlagfertiger. Politisch inkorrekt war es oft auch – aber wesentlich lustiger!
So!: Mit Humor bringen Sie Ungleichheiten in der gesellschaftlich-sozialen Stellung von Mann und Frau ans Licht und bewerten diese ironisch. Wann werden wir Frauen denn endlich in allen Belangen mit den Männern gleichgestellt sein?
Fitz: Oh Gott, da machen Sie ein Fass auf. In vielen Ländern kranken Gesellschaften immer noch an der Schräglage von Männer- und Frauenmacht. Da gibt’s es noch Jahrhunderte zu tun. Und bei uns steht auch viel Arbeit an. Ich hoffe aber, ohne dieses ständige Gender-Gezicke. Die frustrierten Damen vergessen sehr oft einfach den Humor als Waffe.
So!: Die Frauenbewegung in Deutschland haben Sie mit Ihren Texten und Statements nachhaltig beeinflusst. Wie ist Ihre Haltung zur Me-Too-Debatte? Haben Sie selbst solche Übergriffe erlebt?
Fitz: Ja, ständig, das war damals „normal“. Manchmal hab ich nein gesagt, manchmal ja. Je nachdem, ob mir der Mann gefallen hat und ob ich neugierig war. Gesunde sexuelle Neugier hat ja auch was, oder? Ja gesagt habe ich nie aus beruflicher Vorteilsnahme oder aus Angst, nur aus Lust. Wobei mir das Alter egal war. Problem ist eher die Hierarchie. Der Chefarzt wird nicht emotional einknicken, wenn ihm die Krankenschwester die Hand aufs Knie legt, umgekehrt schon, das hat mit Macht und Ohnmacht zu tun. Aber auch damit, dass Frauen ihre Sexualität immer noch nicht so entfaltet haben, dass sie locker damit umgehen können, beim Nein und beim Ja. Man kann ja einen Mann leicht so beleidigen, dass ihm schnell alles zusammenfällt – und eine sexuell erfahrene Frau lässt sich selten ins Bockshorn jagen. Meine Mutter hat in solchen Fällen auch gern mal Ohrfeigen verteilt.
Interview von Andrea Herdegen in der Frankenpost