(Erschienen am 25.10.2019 – Kinzigtal Nachrichten, von Hanns Szczepanek)
Die Kabarettistin Lisa Fitz über den Comedy-Nachwuchs und Demokratie in hysterischer Zeit
GREBENHAIN
Die Kabarettistin, Musikerin und Schauspielerin Lisa Fitz (68) gehört inzwischen zu den „Urgesteinen“ in Deutschlands Kleinkunstszene. Dass die Bayerin auch nach zahlreichen (Solo-)Programmen nichts von ihrem satirischen Biss verloren hat, davon können sich die Zuschauer am morgigen Samstag, 26. Oktober, ab 20 Uhr im Vogelsberger Hof in Grebenhain-Crainfeld ein Bild machen.
Frau Fitz, Sie kommen auf Ihren Tourneen wie der aktuellen mit dem Programm „Flüsterwitz“ in Kleinstädte, große Städte, aber auch kleinere Gemeinden wie etwa nach Grebenhain. Fällt Ihnen beim Humor ein grundlegender Stadt-Land-Unterschied auf?
Fitz: Die Leute in der Stadt sind manchmal übersättigt, weil es einfach unheimlich viele Veranstaltungsangebote gibt. Auf dem Land freut man sich mehr, weil da nicht so viel los ist und dorthin nicht so viele Künstler kommen. Aber manchmal sind die Leute auf dem Land auch ängstlicher beim Lachen. Weil dadurch, dass Großstädter mehr hören und auch Kabarett gewohnter sind, lachen sie schneller und lauter. Auf dem Land sind sich die Leute manchmal nicht sicher: Darf ich hier lachen, oder ist das hier richtig? Bin ich zu laut, zu früh, oder hab’ ich das falsch verstanden? Da muss ich sie etwas mehr aufwärmen, ja sogar manchmal regelrecht zum Lachen ermutigen.
Ihre nächste Station nach Grebenhain ist Thüringens Hauptstadt Erfurt. Welcher Unterschied ist Ihnen im Lauf der Jahre zwischen Ost- und Westdeutschland aufgefallen?
Fitz: Im Osten sind die Leute oft politisch fitter und wacher. Die Politik wird meines Erachtens dort noch bewusster wahrgenommen. Die Leute finden sich dort mal auf der einen Seite, dann wieder auf der anderen Seite. Das ist auch lustig im Publikum, wenn es verschiedene Nester gibt, wo die einen über eine Pointe laut lachen oder sogar Bravo rufen, bei der nächsten kommt dann der Applaus plötzlich aus einer ganz anderen Ecke. Ich denke, es ist schön, wenn sie alle zusammenkommen, denn dann entsteht auch eine Diskussion.
Seit einigen Jahren beherrschen Komiker oder Comedians die Kleinkunstbühnen, zumal jene im Fernsehen. Das klassische politische Kabarett ist hingegen nicht mehr so präsent wie einst mit Dieter Hildebrandt, Lore Lorentz oder Werner Schneyder. Gehören Sie inzwischen eher zu den Comedians?
Fitz: Nein, im Gegenteil: Ich bin nicht Comedian, ich bin Kabarettistin, und zwar noch von der alten Schule. Das bin ich jetzt seit 40 Jahren. Früher war es anders, ich habe meine Karriere mit Moderationen begonnen, dann mit mehr und mehr Liedern und später wurde es politisch, vor allem gesellschaftspolitisch. Aber in den letzten Jahren mache ich zunehmend politisches Kabarett und habe auch selbst mehr politischen Bezug. Ich habe einen Anspruch, von dem ich nicht gern ablassen möchte. Leider hören viele Kollegen auf, die diesen Anspruch auch haben, weil sie resigniert haben und mit Blick auf aktuelle Entwicklungen in Politik und Gesellschaft sagen: Es nutzt eh nix. Georg Schramm zum Beispiel. Da bin ich sehr traurig, dass die aufhören. Und teilweise ist das, was nachwächst, an Flachheit kaum zu überbieten.
Gibt es denn einen Mittelweg zwischen Kabarett und Comedy? „Die Anstalt“ im ZDF versucht ja auch, politische Satire mit Entertainment zu verbinden …
Fitz: Die Anstalt ist ganz klar politisch positioniert. Natürlich unterhalten sie auch, aber dies mit dem höchsten Anspruch. Ganz gleich, wem das gefällt oder nicht: Den politischen Anspruch haben sie. Viele andere Sendungen haben diesen nicht. Die „Spätschicht“ des SWR-Fernsehens versucht, breiter aufgestellt zu sein. Sie lassen eine breitere Meinungsvielfalt zu. Aber „Die Anstalt“ ist ganz klar links positioniert.
Stichwort: Links positioniert. Um ihr Lied „Ich sehe was, was du nicht siehst“ gab es vor etlichen Monaten einigen Wirbel. Ihnen wurden speziell aus der politischen Linken antisemitische Anklänge vorgeworfen. Warum?
Fitz: Ich glaube, dass mich Leute kritisiert haben wegen der Stelle, in der die Banken angegriffen werden. Es sind auch zwei jüdisch geführte Banken genannt. Deshalb haben sie mir Antisemitismus vorgeworfen. Das ist natürlich etwas, was ich weit von mir weise, weil ich das noch nie war und nie sein werde. Netterweise haben Sarah Wagenknecht und Oskar Lafontaine Stellung für mich bezogen und gesagt, das hier Linke be dauerlicherweise Linke bekämpfen. (Der Wortlaut lässt sich unter www.lisa-fitz.de nachlesen, Anm. d. Red.). Das waren die gleichen Leute, die der Sarah eine Torte ins Gesicht geschmissen haben. Das sind oft ganz junge Leute, die von meinem Lebenswerk als Künstlerin eigentlich gar nichts wissen. Da wird sich dann irgendwie ein Lied rausgegriffen, was 0,0001 Prozent meines Schaffens markiert. Ich kann das zwar dann ver-stehen, es stimmt aber nicht.
Ist der Titel Ihres aktuellen Programms, „Flüsterwitz“, zugleich ein provokatives Statement?
Fitz: Er ist bewusst aus dem Grund gewählt, weil ich feststelle, dass die Meinungsvielfalt immer mehr bekämpft wird. Ich kenne das noch aus der 68er-Zeit, dass gestritten werden darf und Diskussion sein muss. Demokratie muss aber auch so sein, dass man mit einer Partei wie der AfD, die von mehreren Millionen Menschen gewählt worden ist, mit Argumenten und mit Diskussionen begegnen muss, wenn man gegen deren Weltanschauung politisch kämpfen will. Es dürfen aber nicht diese Beschimpfungsarien Einzug halten, die es im Wahlkampf bei Donald Trump gab. Oder dass Kollegen sagen, „die Arschlöcher von der AfD“ oder dass in der AfD alle Nazis wären. Das ist fast schon eine Verhöhnung der Opfer des Dritten Reichs, weil die Nationalsozialisten wirklich was anderes sind als die Leute rechts außen. Es ist einfach falsch, wenn man Linke als rot-grün-versifft oder Rechte gleich als Nazis diffamiert. Das geht nicht, das ist mir zu dumm. Das ist zu pauschal und zu platt. Es gibt überall, zum Beispiel auch im Katholizismus, die dümmste Pflaume und es gibt den intelligentesten Professor. Die gesamte Bandbreite der Intelligenz gibt es überall. Bei den Linken gibt es noch Leute, die den Schießbefehl der DDR mitgetragen haben. Und in der CDU sitzen oder saßen lange Zeit Altnazis.
Beschleicht Sie angesichts von Morddrohungen gegen Politiker oder vollzogener Mordanschläge wie gegen Walter Lübcke auch als Kabarettistin ein mulmiges Gefühl?
Fitz: Ich habe deswegen manchmal das Gefühl, dass ich mich nicht frei äußern kann. Das Ganze treibt dann mitunter skurrile Blüten. Einmal hat einer die amerikanische Unabhängigkeitserklärung auf Youtube gepostet. Daraufhin wurde sein Youtube-Kanal ge-sperrt, weil dort irgendwelche Worte vorgekommen sind, die auf einem Index standen. Ob das nun absichtlich oder aus Versehen geschah, weiß ich nicht. Aber sowas geht doch nicht. Was anderes sind Gewaltäußerungen oder ähnliche Aufrufe, dagegen muss man sich wehren. Aber es gibt die freie Meinungsäußerung und den Artikel 5 des Grundgesetzes. Ist eine Partei verfassungsrechtlich bedenklich, dann muss halt Karlsruhe die Partei verbieten. Ansonsten muss die freie Meinungsäußerung überall und für jeden gelten. Das Aufkommen der AfD liegt meines Erachtens daran, dass die Politik die Bedenken der Bürger lange links liegen gelassen hat. Und die haben dann gesagt: Okay, dann werden wir euch das auf andere Weise zeigen. Ich glaube, es macht sich nie bezahlt, wenn man die Bürgermeinung ein-fach so übergeht. Das ist falsch.
Sie meinen, der Frust bei vielen Bürgern hat nichts mit Rechtsradikalismus zu tun?
Fitz: Ja. Es gab hierzu auch eine Bewegung von Links, die sich „Aufstehen!“ nannte und in der sich Sarah Wagenknecht engagierte. Das war eigentlich eine gute Idee, die dann aber einfach niedergebügelt worden ist. Es gibt selbst in der AfD ein paar Vernünftige, die ganz ruhige Redner sind und eine gute Opposition machen. Aber in derselben Partei gibt es eben auch solche, die sind unmöglich und bei denen man sich fragt: In welcher Zeit lebt ihr denn? Von wegen biodeutsch und so weiter. Deshalb sage ich: Demokratie heißt ja, seine Meinung an der Meinung des anderen überprüfen und dessen Meinung eben auch zulassen.
In welcher Zeit leben wir denn gerade? Beschreiben Sie diese doch bitte mal …
Fitz: Wir leben in einer sehr emotionalen, hysterischen Zeit. Hysterisch deswegen, weil sie angstbesetzt ist und dadurch so moralisierend wird. Die ganze Diskussion besteht weniger aus Kenntnis, sondern mehr aus Meinung. Deshalb habe ich in meinem Programm auch den Satz „Keine Ahnung haben, aber eine Meinung“. Das Flüchtlings- und Migrationsproblem kann man zum Beispiel nicht nur von Links oder Rechts sehen und auch nicht nur von der menschenfreundlichen Seite. Das Gleiche gilt, wenn jemand nur die damit verbundenen Kosten oder Probleme sehen will. Wer die Problematik wirklich erfassen will, der muss das Ganze im Sinn haben. Wenn er es nur einseitig beurteilt, entweder von Angst durchsetzt oder moralisierend, dann ist das Ergebnis oft recht dumm und naiv.
Wie beurteilen Sie die Flüchtlingspolitik in Deutschland?
Fitz: Man kann die Flüchtlingspolitik kritisieren ohne rassistisch zu werden. Das ist auch notwendig, denn hier gibt es natürlich Konflikte. Es gibt Bandenkriminalität, wir haben das Drogenproblem, die Flüchtlingskriminalität. Davor kann ich nicht die Augen verschließen. Die Politik muss aber sehen, dass die Menschen andere Herkünfte haben. Sie sind anders aufgewachsen, mit teils ganz anderen Problemen als wir hier. Und ich muss das sehen und anerkennen, ohne zu sagen: „Die Kanaken gehören alle raus.“ Das geht nicht. Ich muss es aber realisieren. Und wenn das Problem erkannt ist, können alle ruhiger diskutieren.
Nochmals zurück zu „Flüsterwitz“. Damit ist doch in erster Linie der politische Witz gemeint, oder?
Fitz: Genau deshalb habe ich diesen Titel gewählt. Darum geht es. Es geht aber auch um Männer und Frauen, vielleicht so 20 Minuten lang. Und es geht um diese Frage, was bedeutet Heimat heute noch? Was ist Populismus? Gibt es neben dem von Rechts auch einen von Links? Was darf man sagen und was darf man nicht sagen? Auch auf diese Fragen gebe ich in meinem Programm ziemlich eindeutige Antworten.
MIt freundlicher Genehmigung der Kinzigtal Nachrichten / Verlag Parzeller GmbH & Co.KG, Schlüchtern