Interview zum bayerischen Kabarettpreis Münchner Merkur vom 19.07.2015
Lisa Fitz: „Ich bin doch keine Grande Dame“
München – Lisa Fitz erhält am Montag den Ehrenpreis des Bayerischen Kabarettpreises. Im Merkur-Interview spricht sie über die Anfänge ihre Karriere, Frauen in der Kleinkunst, Skandale und die Zukunft der Branche.
Bis sie kam, trugen die wenigen Kabarettistinnen schicke Kostüme und waren Mitglieder eines von Männern dominierten Ensembles. Lisa Fitz setzte sich als Solistin durch, sie brachte den Vamp auf die Bühne, sprach Bairisch und nahm auch sonst kein Blatt vor den Mund. Heute erhält die 63-Jährige, Spross einer berühmten Künstlerfamilie – Schauspielerin Veronika Fitz ist ihre Tante, Schauspieler und Musiker Michael Fitz ihr Cousin – , den Ehrenpreis des Bayerischen Kabarettpreises. Die Jury würdigt sie als „Inbegriff selbstbewusster und intelligenter Weiblichkeit“.
Freuen Sie sich über die Auszeichnung – oder sind Sie erschrocken?
Wieso erschrocken?
Ehrenpreis klingt sehr nach Lebenswerk, nach Lebensbilanz.
Nein, ich finde den Zeitpunkt gut gewählt. Ich freue mich sehr über diesen Preis, zu dessen Initiatoren ja auch der Bayerische Rundfunk gehört, weil mich der Sender schon seit meinem 15. Lebensjahr begleitet. Für mich fühlt sich der BR ein bisserl so an wie eine Mama. Die findet zwar nicht alles gut, was man so macht über die Jahre, aber sie nimmt einen doch immer wieder in die Arme.
Sie haben als Schauspielerin und Sängerin angefangen – was war das Motiv, das Kabarett schließlich doch zur Hauptsache zu machen?
Die künstlerische Vielseitigkeit meiner Familie war toll, aber schon auch ein Dilemma für mich. Ich habe lang überlegt, was ich machen soll, aber dann habe ich beschlossen, dass mein hungriger Verstand und meine Kritiklust am besten im Kabarett aufgehoben sind. Ich habe Sammy Drechsel (damals Betreiber der Lach- und Schießgesellschaft, Red.), Klaus Peter Schreiner (damals Hausautor, Red.) und Dieter Hildebrandt viel zu verdanken. Die haben mich bei meinen ersten Gehversuchen Mitte der Siebzigerjahre sehr unterstützt. Die reine Schauspielerei war mir immer zu fad, auch zu hierarchisch strukturiert. Da muss man tun, was andere sagen, und das hab’ ich noch nie gemocht.
Sie stehen im Lexikon als erste Frau, die Solokabarett mit eigenen Texten gemacht hat. Wie fühlt man sich als Grande Dame der Zunft?
Ich bin doch keine Grande Dame! (Lacht.) Aber es stimmt schon, es gab vorher nur die Lore Lorentz, die aber nicht selbst geschrieben hat, und die Alibifrau in der Männerriege der Lach- und Schießgesellschaft. Man musste schon Mut haben, als Frau allein auf die Bühne zu gehen. Die Männer fragen ja immer besonders kritisch: „Ist die denn auch lustig?“
Haben die Herren Kollegen Sie machen lassen – oder haben die vor allem darauf geachtet, dass sie selbst die besten Pointen haben?
Ich glaube, dass sie an mir Gefallen gefunden und mich daher gefördert haben. Denen hat vielleicht meine direkte, bayerische Art imponiert. Aber ich stelle fest, dass Kabarettsendungen heute wieder voller Männer sind, nur ab und zu ist eine Frau dabei, und das hat sicher nicht damit zu tun, dass die Männer per se besser sind.
Ist das Kabarett also immer noch nicht über die Alibifrau hinausgekommen?
Das will ich so nicht sagen, aber es herrscht halt die Meinung vor, es gebe keine politischen Kabarettistinnen. Das stimmt aber so nicht. Vielleicht sind die Frauen auch selbst schuld, weil sie sich auf der Bühne immer noch lieber mit ihrer Cellulite beschäftigen oder damit, dass der Freund weg ist. Das kann man schon machen, ich mache das ja auch. Aber man darf sich nicht darauf beschränken.
Ihre Programme tragen Titel wie „Die heilige Hur“, „Ladyboss“ oder „Alles Schlampen außer Mutti“ – haben Sie Frauen wie Männer damit nicht auch verstört?
Naja, erstmal hat der Begriff „heilige Hure“ nichts Schlüpfriges, das ist ein Begriff aus der Psychologie, der besagt, dass der Mann immer die Madonna und gleichzeitig die sexuell Aufgeschlossene in einer Person haben will. Aber das sagt noch nichts über die Wortwahl in meinen Programmen aus. Gemessen an Monika Gruber war und bin ich weitaus weniger gschert. Klar habe ich auch immer wieder Tabus gebrochen. Man war halt nicht gewohnt, dass eine Frau so deutlich wird wie sonst nur Männer.
Haben sich nie Frauen beschwert über Ihre klaren Worte?
Überhaupt nicht. Ich bin ja stets für die Emanzipation eingetreten, und zwar eher so, dass die Männer schlucken mussten. Aber weil das Vehikel die schöne Verpackung war – rote Lippen, kurze Röcke –, habe ich auch die Männer mit ins Boot gekriegt. Den Frauen hat der Inhalt gefallen, den Männern die Art. Die haben die bittere Pille mit der Wurscht serviert bekommen.
Der BR hat sich im Jahr 1986 mal aus einem „Scheibenwischer“ ausgeschaltet, an dem auch Sie mitgewirkt haben – wie sehen Sie diesen Vorfall fast 30 Jahre später?
Ja, die haben die Nummer vom verstrahlten Großvater nicht verkraftet, kurz nach Tschernobyl. Das fand ich damals unnötig, und der BR findet das heute vermutlich auch. Die Sendung hatte dadurch ja viel mehr Aufmerksamkeit, als sie im Fernsehen gehabt hätte. So etwas würde der Sender heute nicht mehr tun, heute überlässt man es den Zuschauern, ab- oder umzuschalten.
Eine Kabarettsendung als Politikum – heute undenkbar?
Ja, vielleicht sind wir zu sehr zu Hofnarren des Systems geworden. Heute hauen sich die Politiker auf die Schenkel, wenn sie hochgeschossen werden. Die Tabubrüche sind inzwischen eher bei RTL und bei RTL 2 zu finden.
Apropos Tabubruch – Sie selbst waren ja auch schon im Dschungelcamp…
Ich bin denen auf den Leim gegangen. Die haben gesagt, das sei eine Abenteuersendung. Ich dachte, ich kann da mein schrilles Image korrigieren und zeigen, dass ich auch ganz nett bin. (Lacht.) Als ich wusste, was gespielt wird, wollte ich auch raus, mir waren die Gespräche zu bescheuert, aber RTL hat mich gebeten zu bleiben, wegen der Quote. Jetzt ist das drin in meiner Biografie, damit muss ich leben, obwohl ich 99,9 Prozent meines bisherigen Lebens Kabarett gemacht habe. Deswegen freut mich ja der Preis auch so.
Die Mama hat Ihnen verziehen?
Genau.
Früher galt Kabarett als links. Nun sagt Ihr Kollege Bruno Jonas, dass links und rechts vor allem parteipolitische Begriffe und damit völlig überholt seien. Es müsse auch unabhängige Positionen geben.
Da hat er Recht. Ich habe ja ganz hinten in meinem Herzen auch ein Plätzchen für die CSU. Bei denen ist die Welt noch in Ordnung, das beeindruckt mich. Bei den Linken fühle ich mich aber auch in Vielem zuhause und weiß zugleich: Reden ist nicht Regieren. Das eigene Weltbild muss immer eine Melange sein, deswegen hat ja jeder seinen eigenen Kopf.
Wie sieht das Kabarett der Zukunft aus?
Das reine Namebashing ist out, das ist vielleicht Politcomedy, aber kein Kabarett. Ich glaube, dass die Außenpolitik zu sehr vernachlässigt wird. Wir müssten uns viel mehr mit internationalen Themen beschäftigen, mit Verschwörungstheorien. Von der Verschwörungstheorie zur Verschwörungspraxis sozusagen, in diese Richtung geht auch mein nächstes Programm. Lügen wie die, dass der Irak Massenvernichtungswaffen besitzt, weswegen man einen Krieg gegen ihn führen muss, nimmt man doch nur noch achselzuckend zur Kenntnis. Doch von dieser Sorte Lügen gibt’s noch viel mehr.
„Als Frau musst du dich entscheiden, ob du Recht haben oder geliebt werden willst!“ sagen Sie in einem Ihrer Programme. Ist das immer noch so?
Privat schon, da bekomme ich oft Probleme mit dem Rechthaben. Auf der Bühne nicht, da will das Publikum das, es zahlt ja sogar dafür. (Lacht.)
Das Gespräch führte Rudolf Ogiermann.