Niederbayern TV Magazin, September 2023
Es gibt Kabarettisten, die machen „Weichspüler“-Programme. Bloß keinem zu nahe treten. Bloß nicht auffallen. Dezente Zurückhaltung statt auf die Pauke hauen und sagen, wie’s halt einfach ist. Und dann gibt es – Gott sei’s gedankt – Kabarettisten wie Lisa Fitz, die kein Blatt vor den Mund nehmen und frei Schnauze Klartext reden. Sie gilt – und das meine ich ganz im positiven Sinne – als „Enfant Terrible der bayerischen Unterhaltungsbranche“. Sie provoziert, polarisiert, improvisiert. Bringt Sachen auf den Punkt. Unverblümt und freilich humorvoll. Und genau das ist, wofür Lisa Fitz bekannt und beliebt ist. Mehr als 4.000 Sologastspiele in den letzten vier Jahrzehnten. 16 Kabarettprogramme. Ausgezeichnet mit dem Bayerischen Verdienstorden 2019 und dem Kabarett-Ehrenpreis des Bayerischen Fernsehens 2015. Ein kleiner Auszug aus der einzigartigen Bilanz der 72-jährigen Powerfrau, die momentan mit „Dauerbrenner – das große Jubiläumsprogramm“ auf Tournee ist. Umso schöner, dass sie sich in all dem Trubel ausführlich Zeit genommen hat für einen netten Ratsch auf ihrem Bauernhof im Rottal.
Liebe Frau Fitz, Sie haben einmal gesagt: „Mein Publikum denkt, dass ich immer eine Powerfrau war. War ich aber nicht. Bis dahin war es ein langer Weg.“ Wie war der Weg für Sie im Nachhinein betrachtet?
Es war ein sehr langer Weg mit viel, viel Arbeit an mir selbst und einer intensiven Entwicklung, Erfolgen und Sackgassen, durchsetzt mit Ausschweifungen, Lernprozessen und später dann bewusstem Verzicht auf schädliche Lebensführung. Wie soll ich das kurzfassen…? Am besten lesen Sie meine Biografie „Der lange Weg zum Ungehorsam.“ Wir haben letztes Jahr beim Weltbuchverlag eine Taschenbuch-Neuauflage veröffentlicht.
Sie stammen aus einer bekannten Künstlerfamilie. Ab wann war für Sie klar, dass Sie ebenfalls auf die Bühne gehen werden?
Als ich fünf Jahre alt war, habe ich zu meiner Mutter gesagt: „Ich will Kasperl werden!“ Und das Entscheidende, ihre unkonventionelle Antwort, war: „Na gut, kannst du schon werden, aber auch ein Kasperl braucht eine anständige Ausbildung.“ Und so folgten später Ballett-, Musik- und Schauspielunterricht.
Molly & Walter Fitz. Das Duo. Ihre Eltern. Welche Erinnerungen kommen Ihnen, wenn Sie spontan daran denken?
Na ja, zunächst, dass ich die Kunst quasi mit der Muttermilch aufgenommen habe. Als meine Mutter mit mir schwanger war, fuhr sie noch auf Tournee durch die Schweiz mit meinem Vater und hatte die Gitarre vor dem Bauch. Ich hörte also ab meiner Entstehung alles mit. Unsere Künstlerfamilie lebte in einem Drei-Generationen-Haus, und als Kind saß ich oft auf dem Flur und hörte stundenlang zu, wie meine Eltern ihre musikalischen Proben im Wohnzimmer abhielten. Mein Vater war ein toleranter, nachgiebiger Mensch, aber wenn es um Dreisatz ging, dreistimmigen Gesang, kannte er keine Gnade. Das wurde hundertmal geprobt, bis es wirklich sauber saß.
In den BR „Lebenslinien“ haben Sie gesagt, dass Ihre Mutter Molly die Heldin Ihrer Kindheit war. Warum?
Erstens, weil sie mich Kasperl werden ließ und zweitens, weil sie mich immer nach besten Kräften gefördert hat, ohne dass sie als Künstlermutter eine etwaige Profilneurose an mir abgearbeitet hätte. Sie gab mir die Möglichkeit zu einer umfassenden Ausbildung in Musik und Schauspiel, so war ich bestens vorbereitet für diesen Beruf. Außerdem wurde mir erst viele Jahrzehnte später klar, wie oft sie recht hatte. Als Teenager rebelliert man ja ständig aufmüpfig herum, weiß alles besser und ist oft eine wirkliche Landplage für Eltern. Viel später wurde mir klar, was mir meine Mutter alles auf den Weg gegeben hat ihre Lebensweisheit, ihre Spiritualität, inklusive der Motivation zur Yogapraxis. Unbezahlbar, würde ich sagen.
Sie leben auf einem ehemaligen und ruhig gelegenen Bauernhof im Rottal. Warum nicht im pulsierenden München? Und: Was bedeutet Ruhe für Sie?
Ruhe bedeutet mir fast alles bei diesem ruhelosen Leben zwischen Autobahnen, Hotels und Stadthallen. Ich war noch nie eine Stadtpflanze, ich bin in Krailling aufgewachsen, einem ruhigen Vorort im Südwesten von München, Richtung Starnberg runter – und meine späteren Wohnorte waren, bis auf einen einjährigen Ausflug in die Stadt, auch immer am Land in der Natur. Ich bin eine bekennende Landpomeranze und würde nicht um viel Geld nach München ziehen, so schön es ist, wenn man kurz mal dort ist.
Wie sieht Ihr Tagesablauf aus, wenn Sie nicht auf Tour sind?
Meine Tage sind gut ausgefüllt mit viel Arbeit. Ich schreibe Texte, zurzeit verstärkt für die Nachdenkseiten (http://www.nachdenkseiten.de) – die sind das, was „Der Spiegel” meines Erachtens früher mal war. Dann Texte für Kurzauftritte, immer wieder neue Programme für meine ca. 80 Sologastspiele pro Jahr, neue Songs für CDs – und seit drei Jahren haben wir auch das Booking in die eigene Firma übernommen, die Buchung der Gastspiele. Dazu kommt natürlich noch alles, was in Haus und Hof so anfällt. Hier habe ich aber gottlob wunderbare Mitarbeiter und einen tatkräftigen Mann, der richtig zupacken kann und mich mit allem unterstützt. Er ist schon fast ein Profihandwerker geworden, das muss man bei den heutigen Preisen und bei einem so großen Anwesen auch sein. Peter ist Teil der Firma und fährt als Tourleiter und Lichtmann mit.
Peter ist Tourleiter, Lichtmann und zugleich ihr Partner, ein Österreicher. Bayern und Österreich – das ist doch manchmal wie „Fön und Badewanne“, oder nicht?
Oh nein, überhaupt gar nicht! Ich habe da allerbeste Erfahrungen gemacht und muss sagen, dass hiesige Männer zuweilen nicht so charmant sind. Das können die Österreicher halt, vor allem die Wiener. Es vergeht keine Woche, wo ich nicht viele Komplimente bekomme und gelobt werde.
Können Sie sich noch an Ihren ersten Auftritt erinnern?
Die ersten Auftritte hatte ich gemeinsam mit meiner Freundin Mona als Duo „Mona & Lisa“ während der Gymnasiumszeit bei Schulfesten und später dann bei sogenannten „Bunten Abenden“ z. B. in der Liederhalle Stuttgart, und auch viel im Raum Baden-Württemberg. Erst nahmen uns meine Eltern mit, und dann kamen die Anfragen direkt zu uns, und ab 1972, als ich die Moderatorin der Bayerischen Hitparade wurde, kamen die Veranstalter von selbst auf mich zu. Zuerst waren es nette Abende mit Liedern und Geschichten, und ab 1985 wurde dann Satire und Kabarett daraus.
Eines Ihrer Programme hieß „Mut“. Wie mutig sind Sie?
Ich denke nicht, dass man das generalisieren kann. Mut ist ja oft auch Dummheit – wenn man z. B. mit dem Motorrad mit 150 km/h in eine enge Kurve fahren würde. In meinem Fall bedeutet Mut, als Kabarettistin Rückgrat zu haben und laut zu sagen, was ich denke, Missstände aufzuzeigen und Fehlverhalten von Politikern zu kritisieren. Da muss man natürlich halt auch viel Gegenwind aushalten. Und Shitstorms. Aber ich sage immer: „Auf jeden Shitstorm folgt ein Fitzstorm.“ Vor allem das mögen wohl auch die Fans an mir, das Rückgrat und den Mut, auch in Zeiten wie jetzt, problematische Themen anzusprechen, wo manche Kollegen eher zunehmend „Regierungskabarett“ machen.
Sie waren auf der Schauspielschule Zerboni. Eine harte Zeit?
Nein, überhaupt nicht! Das war die schönste Zeit meines Lebens. Wir hatten zwar zwei linke Hände und drei rechte Beine und wussten nicht, wohin mit unseren Gliedmaßen, wenn wir ungelenk „Maria Stuart“, „König Lear“, „Titania“ oder „Luise Millerin“ (Kabale und Liebe) einstudierten und uns auf der Bühne abmühten, diese klassischen historischen Figuren darzustellen – und besonders gut war ich anfangs auch nicht. Aber es war so toll, so viel über Kunst und Schauspiel, Literatur und Rollen zu erfahren und einzutauchen in die Welt des Theaters.
David Gilmour von Pink Floyd hat einmal in einem Interview gesagt: „Auf einer Bühne zu stehen – das ist wie eine Droge.“ Welches Gefühl ist es heute für Sie, vor das Publikum zu treten und wie nervös sind Sie heute im Vergleich zu Ihrem ersten Auftritt?
Das ist überhaupt nicht vergleichbar. Früher habe ich mich vor der Premiere eines neuen Soloprogramms quasi in meine Bestandteile aufgelöst und hatte furchtbare Angst. Einstweilen marschiere ich auf die Bühne wie ins Wohnzimmer. Es geht ja hauptsächlich nur darum, dass man seinen Text kann. Aber wenn der irgendwo auf einem Bühnentisch liegt oder ein iPad da ist, auf das man gucken kann, ist diese Angst weg. Wenn die ersten Lacher kommen, ist alles gut. Und nach ein paar Vorstellungen mit einem neuen Programm ist nur mehr wichtig, dass ein guter Techniker vor Ort ist und die Bedingungen so sind, wie sie im Vertrag stehen. Hier kann man allerdings so Einiges erleben … das wäre ein Buch wert: „Backstage – on Tour mit Lisa“.
Sie haben die Beatles und die Rolling Stones gehört – und trotzdem haben Sie – wie Sie vorhin selbst erzählt haben – die Bayerische Hitparade moderiert, in der Volksmusikanten auftraten?
Na ja, das war ja nicht zeitgleich. Als die Beatles populär wurden und alle für sie schwärmten, war ich 14, und als die Bayerische Hitparade startete, war ich 21. Aber richtig ist, dass ich das zugesagt habe, weil es mir als eine spannende Chance erschien, und weil mein Vater als mein damaliger Produzent und Manager meinte: „Des kannst du scho, Lisa!“ Und ich dachte, da kann ich was lernen, und es ist ja eh nur sowas wie eine Rolle und vergeht auch wieder. Es verging aber nicht, das Image klebte wie Kaugummi an der Schuhsohle über viele Jahre, und da fiel irgendwann einer meiner Kernsätze: „Lieber fünf Leute in der Kleinkunstbühne als weiter so einen Scheiß!“ Dennoch hat mir das natürlich viel Popularität geschenkt, mit der man später gut arbeiten konnte. Als junger Mensch überschaut man halt die Zukunft oft nicht so wirklich.
Florian David Fitz ist einer der beliebtesten und erfolgreichsten deutschen Schauspieler und Ihr Cousin zweiten Grades. Welche Verbindung haben Sie zu ihm und welche generell zur Familie Fitz, deren Mitglieder fast alle im öffentlichen Leben stehen?
Bei uns ist es wie in jeder Familie, manche Mitglieder hat man gerne und man hat eine gute Verbindung zu ihnen, zu anderen weniger. Mit Florian bin ich in den 90er Jahren zusammen mit meinem Sohn Nepo in dem Wohnmobil durch die USA gereist. Er ist ein toller Mensch, sehr zuverlässig und geistreich, ich schätze ihn sehr, und wir haben auch immer wieder Kontakt. Zu Michael Fitz habe ich ebenfalls ein sehr gutes Verhältnis, er wohnt seit einigen Jahren nur 50 Kilometer entfernt von mir, auch in Niederbayern, das ist wirklich schön.
Sie waren die erste deutsche Kabarettistin, die eigene Texte auf einer Bühne präsentieren durfte. Welche Künstler in Bayern, Deutschland oder Österreich schätzen Sie persönlich?
Helmut Schleich mag ich gern, Otti Fischer habe ich immer sehr geschätzt, auch als Mensch, bei Monika Gruber mag ich ihre bodenständige Energie und ihren kraftvollen Witz – und wenn ich zurückblicke, scheint mir Dieter Hildebrandts Niveau im Vergleich zur heutigen Szene unerreichbar. Aber es gibt auch einige Kabarettisten, die sich hinreißen lassen, öffentlich schlecht über Kollegen zu sprechen, das finde ich ganz unsäglich und unwürdig. Leider macht der Zoff in der Gesellschaft auch vor der Kabarettszene nicht Halt.
Mit welchem Programm sind Sie aktuell auf Tournee, und worum geht es in etwa?
Das aktuelle Programm heißt: „Dauerbrenner – das große Jubiläumsprogramm“. Die Zuschauer dürfen sich auf einen kurzweiligen Abend freuen, zum Lachen und zum Nachdenken, beliebte und neue Lieder – eine abwechslungsreiche Bandbreite meines Kabaretts. Keine Moralpredigten, dafür Hirnfutter und viel gute Laune. Der erste Teil ist eine Zeitreise in die 60er mit Studentenrevolte, Rockmusik und Aufbruch der Jugend, die 70er, 80er, musikalisch und politisch, mit Anekdoten zu meiner Entwicklung als Kabarettistin. Der zweite Teil ist ein Rückblick auf die Lockdowns sowie ein Ausblick in unsere digitale Zukunft. Von Roboterisierung über Sexpuppen bis zum RFID-Chip.
KURZ & KNAPP
Wenn ich nicht Kabarettistin geworden wäre …
… wäre ich Schauspielerin oder Musikerin/Sängerin geworden. Auf jeden Fall „was mit Bühne und Kunst“.
Wenn ich an meine Kindheit denke, denke ich an …
… eine Drei-Generationen-Künstlerfamilie, einen großen Garten, viel Verwandtschaft, viele Feiern und starke, aber strenge Frauen – Mutter und Großmutter väterlicherseits, an die ich mich über Jahre erst mal heranentwickeln musste.
Wenn ich an den Summer of ’69 denke, denke ich an …
… das Ende der Schulzeit (Gymnasium), Baggerseefeten, viel Musik und Lambrusco, die bevorstehende Schauspielschule, und ab da mehr Lebenssinn und Beginn eines neuen Lebensweges.
Besonders stolz bin ich auf …
… meine Langstreckenzähigkeit, mein Durchhaltevermögen. Ich halte auch mit Wünschen durch, bis sie in Erfüllung gehen. Allerdings gilt: „Wer A sagt, muss nicht unbedingt B sagen, wenn er erkannt hat, dass A falsch war.“ So ist es mit allem – mit Partnern, mit Berufszielen und mit Wünschen.
Musik bedeutet für mich …
… Emotion, Ausstieg aus dem Alltag, mentale Entspannung, Lebensfreude.
Der peinlichste Moment auf der Bühne war …
… als ich während eines Auftritts für eine Firma erkannte, dass ich meinen Text unzureichend gelernt und keine Unterlagen dabei hatte. Da schwor ich mir: „Das passiert dir nie wieder.“ Ich bin damals einfach von der Bühne gegangen und habe eine grippal bedingte Kreislaufschwäche vorgetäuscht. Einmal, aber nie wieder. Das war allerdings schon vor gut 30 Jahren.
In zehn Jahren werde ich ..
… vermutlich immer noch auf der Bühne stehen, wie ich mich kenne.
Niederbayern bedeutet für mich …
… Ruhe, Daheimsein, Natur, Rehe, Hasen … auch Bauern, Menschen, die mich nehmen, wie ich bin und sich mir gegenüber normal und bodenständig verhalten, keine „überkandidelten“ Städter, keine G’schaftlhuber. Ich freu mich immer, wenn ich mal in München bin … Aber noch mehr freu ich mich, wenn ich wieder heimfahre – aus München raus ins Rottal.
Quelle: Niederbayern TV Magazin, September 2023. Das Interview führte Torsten Widua