Bad Griesbach – Kabarettistin Lisa Fitz begeistert mit ihrem Programm „Dauerbrenner“ das Publikum
„Dauerbrenner“ heißt das Jubiläumsprogramm von Lisa Fitz. Die Kabarettistin blickt auf 40 Jahre im Rampenlicht zurück, und voraus in eine Zukunft, von der man nicht weiß, ob sie wirklich erstrebenswert sein wird. 2018 war sie zuletzt Gast auf der Bühne in Bad Griesbach, und auch bei ihrem Auftritt am Samstag bleibt sie sich selbst treu: Lisa Fitz ist wütend, emotional und polarisiert. Das ist genau richtig und richtig gut. Zurücklehnen, Hirn ausschalten und zwei Stunden lang komödiantisch berieseln lassen, dafür geht man nicht zu Lisa Fitz. Jemanden Honig ums Maul zu schmieren war noch nie ihre Art, vermutlich ist sie aber genau deshalb schon so lange im „G’schäft“ und denkt nicht ans Aufhören: „Ich gehe erst, wenn ich bröckle“, sagt Lisa Fitz, und ein wenig ärgert es sie schon, dass man sie nun, im Angesicht eines runden Geburtstages und einer ungewöhnlich stabilen Existenz als Frau im Kabarett als „Grand Dame“ o der „Urgestein“ bezeichnet hat. Dabei ist sie weder das eine oder das andere, sondern lieber: „Der weiß-blaue Hai“. So ein Hai ist ein anmutiges Geschöpf. Ein Meister im Anschleichen und Anpirschen. Lautlos schwimmt er durchs Wasser, bis zu dem Moment, wenn er die Zähne in sein Opfer verbeißt. Dann gibt es keine Gnade mehr. Der weiß-blaue Hai Lisa Fitz ist ebenso an-mutig. „ Willkommen! Bienvenue! Welcome“, begrüßt sie ihr Publikum in Bad Griesbach mit dem Ohrwurm aus dem Musical „Cabaret“, stellt aber gleich im Nachgang klar, dass sie sich heute für die deutsche Version mit den sieben „T“ entschieden hat: „Kabarettttttt“ statt „Kabaree“, klare Kante statt tanzender Beine.
Die komplette erste Programmhälfte ist Lisa Fitz mit Anschleichen und Anpirschen beschäftigt – und das macht sie so geschickt, dass es das Publikum gar nicht mitbekommt. Leicht und unterhaltsam erzählt sie von ihrem Weg auf die Kabarettbühne, führt das Publikum zurück in die 60er Jahre in die Zeit, wo man mit Liedern wie „Zwei kleine Italiener“ noch berühmt werden konnte. Würde das heute noch funktionieren? Nein. „Zwei kleine Nigerianer, am Bahnhof von Hildesheim“ – solche Geschichten will heute niemand mehr hören, schon gar nicht als Schlager. Sie erzählt von ihrem Glück, als Moderatorin für die „Bayerische Hitparade“ entdeckt worden zu sein, allerdings halt auch deswegen, weil die bisherige Moderatorin Ruth Kappelsberger fürs Fernsehen zu alt geworden war. Mit Mitte 40. „Während die Männer noch bis kurz vor der Intensivstation moderiert haben.“ Eine, die diesen Altersbann gebrochen hat, war Tina Turner. Die fing mit 46 Jahren plötzlich eine neue Karriere als Rockröhre an, emanzipierte sich von ihrem Schläger-Ehemann Ike und „hat sie alle niedergesungen“, sagt Lisa Fitz. Sie allerdings fand sich als junge Frau wieder in der „Deppenhölle, erfolgreich zwar, „aber ohne Bier hältst du das nicht aus“. Die Überzeugung siegt gegen die finanzielle Sicherheit: Lisa Fitz singt live vor Publikum „I bin blöd“, kündigt bei der Hitparade und geht auf die Suche. „Ich bin nach Indien gefahren, um mich selbst zu finden, aber da war ich nicht“, erzählt sie schmunzelnd. Sie lernt Ali Khan kennen, Rockmusiker mit persischen Wurzeln und doch bayrisch wie kein anderer. „Niemand fand unsere Beziehung toll. Er war unangepasst – und genau das, was ich damals gebraucht habe“, sagt Fitz. Heirat, Kind, Kritik. Es hagelt rassistische Briefe.
Haie sind sehr intelligente Tiere. Sie sind Räuber, aber eigentlich friedlich. Fühlen sie sich bedroht, greifen sie an. Gnadenlos. „Mein Mann ist Perser, ein ganz ein Perverser“. Einer ganzen Gesellschaft haut Lisa Fitz mit diesem Lied deren Vorurteile um die Ohren. Die Situation – ein Brandbeschleuniger auf dem Weg zum Kabarett. „Die heilige Hur“ ist 1983 ihr erstes Soloprogramm mit eigenen Texten. Und das als Frau! Das gab es noch nie. „Der Mensch lernt zuerst laufen und sprechen. Dann still sitzen und stil lsein.“ Genug angepirscht, nun geht es auf die Jagd. Wer ist schuld an dieser Gesellschaft, an dieser Situation, in der wir gerade alle sitzen? Die Jugend? Nein. „Die Jugend von heute ist wie jede Jugend“, und das ist gut so. Der Fisch hingegen stinkt vom Kopf, und Deutschlands Gesellschaft krankt an der Politik. Nie wurde das so deutlich wie nun, in einer weltweiten Pandemie. Während Kultur trotz Milliardenumsätzen als „nicht systemrelevant“ abgestempelt wurde und Existenzen vernichtet wurden, füllte sich die Politik die Taschen. Kurzarbeit. Homeoffice. Kinder-betreuung. Ran ans Ersparte hieß es nur beim kleinen Mann. „Unsere Politiker haben auf gar nichts verzichtet“, und dabei zeige das Beispiel der neuseeländischen Präsidentin Jacinda Ardern, dass es auch anders geht: „Die hat aus Solidarität auf 20 Prozent ihres Gehalts verzichtet. Aus Solidarität!“ Ein Wort, das deutsche Politiker erst noch buchstabieren lernen müssten.
Längst hat sich der weiß-blaue Hai in sein Opfer verbissen. „Deutschland – quo vadis“ ergießt sich über das Publikum, färbt die Zukunft schwarz, brutal und gnadenlos. „Fanatismus, Terror, Gewalt, kapern dich in reli-giöser Gestalt. Wahre Werte wie ein ferner Traum: Ungeist erobert sich Wirkungsraum. Nationalisten machen sich breit, kein innerer Friede europaweit. Die Schönheit deiner Tradition besudeln sie mit völkischem Ton. Und blickt man nach links, zur Mehrheit im Staat, dreht Kopflosigkeit ein zu großes Rad. Sitzt Ratlosigkeit im Parlament, das Gesetze fasst, die kaum einer kennt. Die Eidesformel wie Folklore im Amt, für Ordnung und Recht hebt keiner die Hand. Doch für Zensur macht die Macht sich heut stark, unsre Steuern haften für jeden Quark.“
Die Wogen sind geglättet, das Meer ist wieder ruhig. Der weiß-blaue Hai schwimmt weiter. Man hat, sagt Lisa Fitz, seine Zukunft auch immer irgendwie selbst in der Hand, trotz allem. Kritisieren und Lieben sei kein Widerspruch in sich. Lisa Fitz liebt ihre Heimat, ihr Land, ihr Leben. Und sie liebt das Publikum, genießt jede Minute. „Bad Griesbach – bis bald!“
Quelle: Passauer Neue Presse vom 15.11.2021, Artikel von Doris Kessler