Lisa Fitz über die Entwicklung des Kabaretts in Deutschland, die Abgrenzung zur Comedy
und ihr aktuelles Programm „Weltmeisterinnen – gewonnen wird im Kopf“
Interview: Tobias Wagenhäuser
Die Freisinger SZ sprach mit ihr über ihr aktuelles Programm.
SZ: In „Weltmeisterinnen – gewonnen wird im Kopf“ wechseln Sie mit viel Witz zwischen vier Frauenfiguren. Wie viel Fitz steckt denn in ihnen?
Fitz: Natürlich immer viel. Es ist die normale Schizophrenie – oder Multiphrenie – jedes Künstlers, dass man viele Meinungen, Figuren in sich trägt und die müssen alle was sagen dürfen. Nach Jahren des Stand-Up hatte ich Lust am Rollenspiel und wollte den Auftritt gerne ein bisschen komödiantischer
machen. Aber ohne Comedy zu machen!
Sie fragen in Lektion 21 Ihrer Kabarettschule – da geht es um die Königsdisziplin Soloprogramm – „Wie viele DIN-A-4-Seiten hat ein Solo?“. Wie viele Seiten hat
denn Ihr „Weltmeisterinnen“?
(lacht) Ich glaube, das hat meistens um die 20 bis 25 Seiten. Und die wollen natürlich alle so gelernt werden, dass es klingt, als hätte man sich’s eben ausgedacht. Das ist eigentlich der mühseligste Arbeitsteil und kann sich über Monate ziehen. Es gibt zwar auch Techniken zum Auswendiglernen,
aber es ist schon a bisserl öde.
Wie viele Stunden lernen Sie am Tag?
Das Missverständnis besteht ja darin, dass die meisten Leute, wenn sie einen Text auswendig lernen müssen, ihn etwa 15 Mal lesen und dann denken: „Scheiße, warum kann ich’s denn nicht? Ich bin da wohl schlecht drin. “ Wenn man sagen würde 50 Mal, das käme der Sache näher. Die Gehirnforscher sagen abdem180. Mal ist der Text drin. Mein Sohn Nepo zum Beispiel, der ist eine richtige Textmaschine, der spricht seine Texte bestimmt 200 bis 220 Mal. . .
Augen auf bei der Berufswahl
(lacht) Ja, also es ist schon von Vorteil, wenn man die Texte selber geschrieben hat und generell schnell lernt–was ich tue. Das Peinlichste ist, wenn man dann oben steht und denkt: „Boa, wie geht’s weiter?“ Und die Leute warten: „Ja, und jetzt?“ Dann müsste man nachgucken, das wäre ganz doof.
Ihr Sohn Nepo Fitz tourt selbst erfolgreich als Musiker und Kabarettist durch den süddeutschen Raum. Beraten Sie sich denn beim Programm gegenseitig? Wird
gegenseitig korrekturgelesen?
Also korrekturgelesen hab ich das letzte Mal bei seinem vorigen Programm. Aber er holt sich schon noch ab und zu Ratschläge oder spielt mir was vor. Andererseits, wenn ich ihm etwas von meinen Texten vorlese und er sagt dann mit so unbewegtem Gesicht: „Ja. Toll.“ Dann merk ich auch, aha, das ist zu viel Kabarett und zu viel Zeigefinger. Der Nepo hat schon einen leichteren Sinn, also er geht ein bisserl mehr in Richtung Comedy.
Christine Prayon, alias Birthe Schneider, hat einmal gesagt: „Comedy bedient Klischees, Kabarett bekämpft sie.“ Können Sie denn diesem Satz zustimmen?
Hm. Na ja, das ist natürlich sehr knapp auf den Punkt gebracht. Comedy zu machen, ist, wenn’s gut sein soll, nicht einfach. Die amerikanischen Comedians, gerade die Sitcoms, sind uns da weit voraus, weil sie sehr viel Wahrheit mit sehr viel Witz verbinden. Trotzdem ist Comedy vorwiegend, sagen wir, alle 15 Sekunden ein One-Liner, da geht’s mehr um Pointen und Unterhaltung. Das Spektrum ist natürlich breit und voller Übergange, aber dem Kabarett geht es eher darum, Missstände aufzuzeigen und vielleicht auf Dinge hinzuweisen, die der Bürger –mangels Recherche oder Zeit – so eben noch nicht gesehen hat.
Kommt es im Kabarett nicht zu oft dazu, dass Gesinnungsapplaus einfangen wird?
Ja, klar. Die Leute die zum Volker Pispers gehen oder zum Max Uthoff, die wollen das natürlich auch hören, was er sagt. Jemand, der zum Mario Barth geht, oder ihn gut findet, würde eher nicht zu Volker Pispers gehen. Man ist heute manchmal sehr allein gelassen mit all den Ereignissen und weiß nicht genau, was man denken soll. Beim Kabarett kann man sich dann schon ein bisschen Rückenstärkung holen oder zum Nachdenken anregen. Das ist eigentlich auch der Sinn von Kabarett.
Und wenn Sie zurückblicken auf mehr als 40 Jahre Bühnenerfahrung? Sind Sie glücklich mit der Entwicklung des Kabaretts in Deutschland?
Na ja, ich bin nun einmal Fan meines Berufs. Man ist zwar manchmal bestimmter Themen überdrüssig, weil man sie schon lange hat, aber mich freut es, dass Kabarett immer noch so wichtig ist. Was mich nicht freut, ist diese Schwemme von wirklich schlechten Comedians, dass jetzt jeder, der ein T- Shirt und ’ne Kappe aufsetzt, irgendwie öffentlich schwafeln darf und auch ins Fernsehen gelassen wird.
Manche haben eher Lust, zur Comedy zu gehen und sich unterhalten zu lassen, statt womöglich noch mehr runtergezogen zu werden. . .
Das stimmt, aber mein Kopf wäre da nicht befriedigt. Ich hatte ja schon einmal die Wahl, mit der Moderation der Bayrischen Hitparade. Ich hab dann aber bewusst einen riesen Bruch gemacht. Deswegen möchte ich gerne das, was ich mache, langeweitermachen. Bei den Kabarettisten ist das eigentlich meistens so wie mit Wein, die werden dann im Alter besser. (lacht) Ich weiß nicht, ob ich gleich wie der Hildebrandt bis 84 auf der Bühne stehen will. Eher nicht, aber solange ich fit und psychisch stabil bin . . .
Von manchen Bands kennt man berüchtigte Backstage-Rituale. Gibt’s auch ein Fitzsches Ritual vor dem Auftritt?
Ja, wir haben für jedes Programmeinen eigenen Spruch, und unsere Ritualtiere sind zwei Stofftiere, die immer mitreisen. Mit denen zusammen wird immer vorher der Spruch gesagt – und dann geht’s auf die Bühne. Ohne geht es natürlich auch, ich bin nicht abergläubisch, aber mit ihnen geht’s besser, weil sie immer so einen kleinen Kraftschub geben.
Bericht der Süddeutschen Zeitung