Südfinder, September 2023
Kabarettistin und Schauspielerin Lisa Fitz im Interview über ihre Anfänge, politische Aspekte und Tipps für Nachwuchskabarettisten.
Lisa Fitz ist Schauspielerin und Kabarettistin in dritter Generation. Ihr Sohn wächst in die vierte hinein. Im Südfinder-Interview spricht sie darüber, ob Lampenfieber noch ein Thema ist und wie sie mit Kritik umgeht. Sie betont, wie wichtig es ist, sich nicht alles zu Herzen zu nehmen, was andere über sie sagen, und auch, warum. Am 22. September tritt sie in Fronreute mit dem Programm „Dauerbrenner“ auf.
Sie sind in einer Künstlerfamilie groß geworden, war es naheliegend, dass Sie die gleiche Richtung einschlagen?
Ja, natürlich. Ich bin in einer drei Generationen-Künstlerfamilie großgeworden, mit Großeltern und Eltern. Und nun wächst mein Sohn nach, mittlerweile die vierte Generation Fitz. Ich konnte gar nicht anders. Es gingen auch alle meine Onkel und Tanten bei uns ein und aus, u. a. Veronika Fitz und Gerd Fitz. Mit meinen Cousin Michael Fitz und Florian David Fitz verbindet mich eine inspirierende Freundschaft. Mit fünf Jahren soll ich den Wunsch geäußert haben: „Ich will Kasperl werden!“ Meine Mutter hat das ernst genommen und dafür gesorgt, dass der zukünftige Kasperl auch eine anständige Ausbildung bekommt– Schauspielschule, Gitarrenunterricht und auch Ballettstunden (mit eher weniger Erfolg, aber immerhin).
Was oder wer inspiriert Sie bei der Entwicklung Ihrer Programme?
Mich inspiriert eigentlich alles, ich habe (leider) nie ein Problem des Zuwenig, sondern immer des Zuviel an Ideen, an Inspiration, an Texten, an Einfällen. Mein Kopf quillt meist über und meine Textsammlungen auch. Das Schwierige bei der Satire und beim Kabarett ist das Verdichten, das heißt, die mehr oder weniger aufregenden Themen einzudampfen auf ein Zwei-Stunden-Programm und das witzig zu machen. Vor allem in diesen Zeiten, wo einem das Lachen ja oft vergehen könnte.
Hat man nach so vielen Jahren noch Lampenfieber?
Lampenfieber habe ich nur, wenn ein neues Programm ansteht und ich damit die ersten Male auf die Bühne gehe. Jedes Mal fragt man sich aufs Neue: „Ist es lustig, wird es dem Publikum gefallen, werden die Zuschauer lachen?“ Und immer hat man bei der Erstellung des Programms Phasen, in denen man völlig sicher ist, dass alles ganz unlustig ist und keiner lacht. Es gibt auch den typischen Künstler-Albtraum: Ich soll eine Vorstellung absolvieren, und in dem Moment, wo ich auf die Bühne gehe, wird mir klar, dass ich meinen Text weder gelernt noch dabei habe. Aber wenn ein Programm läuft, dann gehe ich auf die Bühne wie ins Wohnzimmer.
Wie reagieren Sie auf Kritik an Ihren Auftritten?
Das kommt darauf an. Ein Kritiker, der sein Handwerk versteht, wird zuerst beschreiben, was er gesehen hat, dann, was die Künstlerin seiner Ansicht nach damit sagen wollte und am Ende wird er Positives und Negatives aufführen und vielleicht Anregungen geben, was die Künstlerin besser machen könnte. Wenn das funktioniert und fair ist und vielleicht sogar richtig, nehme ich konstruktive Kritik gern an. Aber nicht, wenn ein Kritiker von der Redaktion mit der Aufgabe geschickt wurde: „Machen Sie mal die Fitz fertig!“ (gibt´s auch), oder wenn mich die Rezensentin eh nicht mag und ihr persönliches Geschmäckle in einem hämischen Anti-Bericht kundtut. Das ist dann einfach unfair, verletzend und vor allem berufsschädigend. Man arbeitet schließlich an einem Soloprogramm monatelang. Es kränkt also nicht nur die Eitelkeit der Künstlerin, wie man gern unterstellt, es kann durchaus geschäftsschädigend sein und zuweilen wie ein kleiner Rufmord, weil das ja andere Veranstalter auch lesen und beeinflusst werden.
Wie wichtig ist Ihnen der politische Aspekt in Ihren Programmen?
Zunehmend wichtiger. Aber ein Live-Gastspiel ist etwas anderes als eine 8 bis 15-Minuten-Satire für einen Sender oder eine politische Plattform auf YouTube. Man kann nicht ein Zwei-Stunden-Programm machen und nur politische Vorträge halten oder Moral predigen oder ernste Themen behandeln. Es muss auch Quatsch dabei sein, ganz Persönliches, unterhaltsame, lustige Geschichten und in meinem Fall vor allem Musik und Songs.
Welche Rolle spielt Improvisation in Ihren Auftritten?
Sie spielt auch eine Rolle, aber keine so große. Natürlich reagiert man manchmal auf die Zuschauer oder auf Malheurs, die passieren, wie Lichtausfall oder Regen bei Open Airs oder wenn ein Zuschauer was dazwischenruft und man einen guten Einfall haben muss, um die Lacher auf seiner Seite zu haben. Und natürlich verändert sich ein Programm im Laufe von drei Jahren (so lange spielt man meist ein Solo) – nicht grundsätzlich, aber einige Passagen verändern sich, fallen raus, oder es kommen neue als Update dazu.
Welche Herausforderungen sehen Sie als Kabarettistin in der heutigen Zeit?
Es ist tatsächlich zunehmend eine große Herausforderung, sich in dem immer enger werdenden akzeptierten Meinungskorridor frech, kritisch und lustig zu bewegen. Oder auch schwarzhumorig. Das war zu Zeiten von Dieter Hildebrandt keinesfalls so. Der durfte sich ja sogar noch über den Programmdirektor seines Senders ironisch auslassen, ohne dass ihm was passiert ist. Wir haben heute zu viele hochideologisierte Moralprediger und -Innen, die einer Künstlerin unter Umständen die satirischen Worte so falsch auslegen (wollen), dass man sich am Ende in Meinungsecken wiederfindet, in denen man nie war und auch nicht sein will.
Welche Tipps würden Sie jungen Nachwuchskabarettisten geben?
Ich habe ein paar Jahre lang Workshops für Nachwuchskabarettisten respektive für solche, die es werden wollten, gegeben. Die meisten waren höchst erstaunt, wieviel Arbeit das ist, und viele haben ihr Ziel vorzeitig wieder aufgegeben. Es ist tatsächlich viel Arbeit. Man muss die Gesellschaft und die Menschen beobachten wollen, beschreiben können, was man sieht, das zu einem satirischen Text verdichten, das Ganze auswendig lernen und dann auch noch gut auf der Bühne vortragen. Nicht viele Ambitionierte beherrschen dieses Handwerk und da trennt sich auch schnell die Spreu vom Weizen. Kurz: Man muss seinen Beruf schon als Berufung verstehen – und dann macht er auch über Jahrzehnte viel Freude.
Sie wurden mal als „rasierklingenscharfes Weib mit dem Macho-Touch“ bezeichnet – unterschreiben Sie das?
Ach Gott, wenn ich alles unterschreiben würde, als was man mich schon bezeichnet hat, dann wäre ich ein schillernder Stern mit tausend Facetten. Man wandelt sich ja auch im Laufe der Zeit und ist in fortgeschrittenem Alter nicht mehr die Person, die man mit 30 war. Manches ist vergangen, dafür kann man anderes viel besser. Es schärft sich z.B. der Blick auf politische Entwicklungen ungemein, viel Lebenserfahrung und Menschenkenntnis kommen dazu. Alles, was ich jetzt analysieren und beschreiben kann, damit wäre ich mit 35 wirklich überfordert gewesen.
Quelle: Südfinder, 20.09.2023, Artikel von Anna Dier
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