Stadthalle: Fulminanter Abend mit den bayerischen Kabarettistinnen Lisa Fitz, Sissi Perlinger und Lizzy Aumeier.
WEINHEIM. Wow! Was für ein Abend! Schreiend komisch zeigten die drei Powerweiber Sissi Perlinger, Lisa Fitz und Lizzy Aumeier den komödiantischen Stinkefinger all jenem, was ihnen bitter aufstößt: dem fatalen Schönheitswahn der Angst vor dem Altern, den politischen Dumpfbacken jedweder Couleur und natürlich dem alltäglichen Chauvinismus. Selten wurde so lautstark gelacht in der fast voll besetzten Stadthalle, in der Veranstalter Franz Kain das gut gelaunte Publikum zu „Weiberpower pur!“ begrüßte. Viele mögen gekommen sein wegen der „Zugpferde“ des Abends. Mit Sissi Perlinger und Lisa Fitz standen immerhin zwei mit Preisen hoch dekorierte weibliche Schwergewichte der Kabarett-Szene auf der Bühne. Die meisten Lachtränen kullerten allerdings beim fulminanten Auftritt von Lizzy Aumeier, dieser fränkischen „Barbie-Fehlpressung“, die dem Abend das Prinzessinnenkrönchen aufsetzte. Den Einpeitscher gab zu Beginn die bestens aufgelegte Sissi Perlinger im obligatorischen Tiger-LillyLook. Sie forderte die Energie vom Publikum ein, die im Laufe des Abends wie von einem Parabolspiegel zurückgeworfen wurde. Dementsprechend energiegeladen präsentierte sich denn auch Lisa Fitz, jene streitbare und furchtlose Kabarettistin, die ganz zu Recht vom Bayerischen Fernsehen mit dem Ehrenpreis 2015 für ihr Lebenswerk ausgezeichnet wurde. Nach vier Jahrzehnten Bühnenpräsenz ist sie kein bisschen leiser, vielmehr mit 67 Jahren noch immer der Inbegriff selbstbewusster und intelligenter Weiblichkeit. Sie preschte in ihrer unnachahmlichen Art durch die Frauenbilder verschiedener Generationen und Kulturen, watschte Renate Künast als „Stan Laurel der Grünen“ ab und räsonierte so hintergründig über alltägliche Ängste, dass einem das Lachen so manches Mal im Halse stecken bleibt. Wo das Frauenbild so messerscharf seziert wird, muss selbstverständlich auch das Männerbild auf den Prüfstand. Zusammengeführt in der Ehe („Lebensende mit drei Buchstaben“) löst Fitz das Kreuzworträtsel des Geschlechterkampfes auf humorvolle Weise. Ein Auftritt wäre nur unvollständig ohne Gitarre und ein Lied in bayerischer Mundart. Es handelt von Abgründen, die es zu meistern gilt. Nach Ansicht der Kabarettistin am besten mit einer großen Portion Mut. „Denn Mut ist das Feuer, aus dem sich Visionen speisen.“ Weniger hintergründig und vielschichtig, dafür mit viel Selbstironie, derbem Charme und sprühendem Sprachwitz eroberte Lizzy Aumeier das Weinheimer Publikum im Sturm. Im schwarzen, hautengen Kleid und einem Diadem auf der Hochsteckfrisur zupfte sie sich die Brüste („Bio-Implantate aus Kirschkernkissen“) ebenso entwaffnend freizügig zu recht wie die Miederhose. Die speckigen Winke-Arme fristen als „Doppelachsel“ ihr un-sportliches Dasein. Ohnehin darf es für Lizzy Aumeier zwar gerne Sport sein, aber es sollte was Besonderes bleiben: „So wie Weihnachten!“ Hemmungs- und tabulos zeigt sie dem Gesundheitswahn von Frauen über 50 die kalte Schulter. Denn sie hat mehr zu bieten. Schauspieler und Kabarett-Kollege Ottfried Fischer beschrieb sie zutreffend: „Ihr Körper ist ihr Kapital. Und sie ist ziemlich wohlhabend.“ Davon konnte sich auch einer der männlichen Gäste überzeugen, den sie auf die Bühne holte. Er hatte seine zupackende Seite zu zeigen beim Nachspieler der legendären Titanic-Scene an der Reling. Ein komödiantischer Hochgenuss. Lizzy Aumeier kann aber nicht nur Schenkelklopfer. Bei ihr bekommt die vermeintliche politische Elite tabulos den Kopf gewaschen. Da wird Gesundheitsminister Spahn zur „Stradivari unter allen Arschgeigen“ in Deutschland, weil er das Pflegepersonal zu mehr Überstunden auffordert, während die lesbische AfD-Politikerin Alice Weidel völlig „hirnamputiert“ gegen Homosexualität wettert. Aufgedreht wie eine Sprungfeder zeigte sich nach der Pause die Bühnenschamanin Sissi Perlinger. Sie schlüpfte in wechselnde Kostüme und damit in verschiedenen Frauen-Rollen, nahm sich das Frauenbild – verknüpft mit dem unvermeidlichen Alterungsprozess – ebenso zur Brust wie ihre Kolleginnen zuvor. Als Wegbereiterin der modernen Altenpflege empfahl sie Tüten voller Marihuana. „Beißt nicht ins Gras, raucht es lieber!“ Und warum nicht bei der Einreise in die Schweiz eine kleine Pille Viagra, eine „Viagrette – für den kleinen Ständer zwischendurch“? Dabei ist Sissi Perlinger mit 55 noch längst nicht im hohen Alter oder bereit „für die lange Nacht der Darmspiegelung“. Die Angst vor dem Alter spielte endgültig keine Rolle mehr beim gemeinsamen Schlusslied „Sisters are doing it for themsselvs“ der Eurythmics, das den Abend beschloss – einen Abend voller Weiberpower.
Quelle: Weinheimer Nachrichten vom 20.10.2018, www.wnoz.de, Artikel von Iris Kleefoot