Rottaler Kabarettistin gastiert im Bad Griesbacher Kursaal – Laut, wütend und ohne vorgehaltene Hand: Das ist „Flüsterwitz“
von Doris Kessler
Bad Griesbach. Sie lebt im Rottal, doch auf der Bühne steht sie hier nur selten. Dabei täte eine wie Lisa Fitz dem niederbayerischen Kabarett so gut. Sie ist laut, sie ist wütend, sie kritisiert ohne den Deckmantel der politischen Korrektheit, ohne die vorgehaltene Hand. Frauen wie sie wünscht man sich als Vorbild für die Mädchen von heute: Stark, selbstbewusst und für die Rechte einer Bevölkerungsgruppe kämpfend, die mehr als 50 Prozent der Weltbevölkerung stellt, aber in Deutschland immer noch 20 Prozent weniger als Männer in gleichen Positionen verdient.
Mensch, die Lisa. Seit 1983 steht sie nun schon als Kabarettistin auf der Bühne, die Fitz, die einer so namhaften wie weit verzweigten Künstlerfamilie entstammt. Stets hat sie polarisiert und begeistert gleichermaßen – auch in ihrem aktuellen Programm „Flüsterwitz“ bleibt sie ihrer Linie treu.
Ein Flüsterwitz, erklärt Lisa Fitz, das ist einer, den man sich nur hinter vorgehaltener Hand zu erzählen traut. Weil er gegen die guten Sitten verstößt oder gegen das, was Regierung oder Religion gerade als „sagenswert“ festgelegt haben. Wobei – in Deutschland herrscht doch die Meinungsfreiheit, da darf man doch alles sagen, was man will? Aber: Will man überhaupt alles sagen?
Die deutsche Frau ist unpolitisch. Viel zu unpolitisch. So wie Lisa Fitz‘ Nachbarin Anneliese, die all das, was um sie herum in der Welt passiert, schlichtweg „gar nicht wissen will“. Lieber setzt man sich nach getaner (Haus-)Arbeit vor den Fernseher und lässt sich einlullen in die heile Welt der Seifenopern und Verkaufssendungen. So geht Verblödung – und das ist, sagt Fitz, von politischer Seite aus durchaus so gewollt. „Tittytainment“ lautet der Fachbegriff dafür, eine Wortschöpfung aus „Titty“ und „Entertainment“, geprägt 1995 von Zbigniew Brzezinski, Sicherheitsberater des US-Präsidenten, auf einer Versammlung des Global Braintrust. Diejenigen Menschen, die den Großteil ihrer Freizeit vor dem Fernseher verbringen (müssen), diejenigen, die arbeitslos„Den Frauen fehlen Mut und Wut“sind und Transferleistungen beziehen, die sollen nicht aufbegehren gegen ihre Situation, sondern medial berieselt und damit ruhiggestellt werden. So erklären sich Sendungen wie „Frauentausch“ und „Bauer sucht Frau“, von denen es immer mehr im deutschen Fernsehen zu sehen gibt. Und auch seriöse Sender ziehen nach: „Die Nachrichten der Tagesschau werden seit Anfang 2018 einfacher formuliert“, sagt Lisa Fitz. Die Anordnung dazu sei von „ganz oben“ gekommen.
Dagegen müsse man doch eigentlich aufbegehren? Tut man aber nicht. Der Deutsche ist nicht gemacht für die Revolution, es scheitert schon daran, dass „das Betreten des Rasens verboten“ sei. Es fehlt die Energie, es dominiert die Lethargie, und vor allem, es fehlt der Mut und die Wut – vor allem bei den Frauen.
Lisa Fitz erzählt von einem Münchner Fitnessstudio, das sie regelmäßig besucht, und wo der Betreiber plötzlich alle Frauen darum bat, in Badekleidung in die Sauna zu gehen. Iranische männliche Gäste hätten sich beschwert. Lisa Fitz ist empört, Lisa Fitz ist wütend. Sie will sich den Schuh der Ausländerfeindlichkeit nicht anziehen lassen, immerhin war sie selbst viele Jahre lang mit einem Iraner verheiratet, „mein Mann ist Perser“ hat sie schon 1981 gesungen. Ihr geht es nicht um Fremdenfeindlichkeit, ihr geht es um den Verlust aller Rechte, die sich Frauen in den vergangenen Jahrzehnten erkämpft hätten. Wahlrecht – seit 100 Jahren. Das Recht darauf, im Bundestag Hosen zu tragen, haben Frauen seit 1970. Und erst 1997 wurde der Paragraf abgeschafft, wonach Vergewaltigung in der Ehe keine Straftat sei. Und jetzt? Wird Frauen geraten, abends nicht mehr joggen zu gehen. Es wird über entsprechende Kleidung diskutiert und über Saunieren im Bikini. „Was kommt als nächstes? Sitze ich in der Burka auf dem Spinningrad?“
„Sitz ich bald in der Burka auf dem Spinningrad?“Das Publikum schweigt. Lacht. Jubelt. Denkt. Überlegt: „Meint sie das wirklich so? Hab ich das jetzt richtig verstanden?“ Die Synapsen, hat Lisa Fitz schon zu Beginn versprochen, sie werden glühen an diesem Abend, und das tun sie auch, begeistert. Immerhin, „das Gehirn ist keine Seife – es wird nicht weniger, wenn man es benutzt“.
Und so spürt man an diesem Abend im Bad Griesbacher Kursaal auch, wie viel Spaß es macht, wieder mal so richtig intensiv denken und lachen zu können. Am Ende gibt’s Wellness, das passt nach Bad Griesbach, Wellness fürs Gehirn, das sich bei der Zugabe nach all dem Input „entleeren“ kann, auch das soll ab und zu gut tun: „Das Kamel“, singt Lisa Fitz, ein Lied ihres Vaters Walter Fitz, der sich als Strauß-Imitator am Nockherberg einen Namen gemacht hat. Ein höchst vergnüglicher Abschluss eines Abends mit einer Frau, die sich öfter blicken lassen sollte hier in Niederbayern. Immerhin, nur 30 Minuten Anreise sprechen doch auch für sich.
Quelle: Passauer Neue Presse vom 05.11.2018