Unzählige Menschen drängen sich am Eingang zum Comödienhaus in Bad Liebenstein, um einen Abend mit der bekannten Kabarettistin Lisa Fitz zu verbringen. Gut zwei Jahre hatten die meisten ihre Karten zu Hause gehütet.
„Eine der besten Kabarettistinnen Deutschlands, streitbar, aber immer gut gelaunt“, so kündigte Intendant Christian Storch die Ausnahmekünstlerin an: Lisa Fitz ist zu Gast beim 3. Bad Liebensteiner Satirefest. Der „Dauerbrenner“, als den sie sich selbst bezeichnet, wurde zum Programm, mit dem sie ihr Leben auf die Bühne gebracht hat. In Jeans, hautengem schwarzen Shirt und lässigem Cardigan tritt Lisa Fitz auf die Bühne, mit dabei ihre Gitarre. Die 71 Jahre sind ihr keineswegs anzusehen. In ihrem Leben ging es hoch her. So gut gemeistert hat sie es sicher aufgrund ihres starken Charakters mit einem kritischen Blick auf die Welt und einer riesigen Portion Gradlinigkeit und Mut. In Corona-Zeiten wurde der taffe „weißblaue Hai“, wie sie gern bezeichnet werden will, wegen einer Aussage aus dem Programm eines Senders geschnitten. Und in Wetzlar wird derzeit diskutiert, ob man einer „Querdenkerin“ eine Bühne zu den Festspielen bereiten soll. So viel Zensur kann auf alle Fälle einer verstehen, der ehemalige DDR-Bürger. Politisches Kabarett, etwas, das besonders ihm als Ventil heilig war, hat heute wieder seinen alten Stellenwert zurückerlangt. Im Comödienhaus wird Fitz lautstark willkommen geheißen und für jede maßgeschneiderte und tiefsinnige Pointe belohnt. Das tut der Künstlerin sichtlich gut. Anfänglich eher zaghaft und offenbar gefangen in Nervosität, läuft sie spätestens im zweiten Teil zur Höchstform auf. Sie hat eine dicke Haut.„ Auf jeden Shitstorm folgt ein Fitzstorm“, jubelt sie kämpferisch dem Publikum zu. „Ein Kabarettist muss sein freches Maul behalten dürfen, sonst ist er ein glitschiger stromlinienförmiger Aal.“ Immerhin wurde sie 2019 mit dem Bayrischen Verdienstorden und 2015 mit dem Kabarett-Ehrenpreis des Bayerischen Fernsehens ausgezeichnet.
Energiegeladen, charmant, mit spitzer Zunge und mit ihrem niederbayerischen Dialekt regt sie zum Mitdenken und zum Mitsingen an – wenn es sein muss, auch „I bin halt bläd“. Obwohl sie das Lied bereits in den Achtzigern zu Papier gebracht hat, ist es aktueller denn je. Stolz ist sie darauf, die erste Frau mit eigenen Texten, sozusagen eine Pionierin, zu sein. „Früher gab es nur eine Alibifrau in einem Männerteam. Sie sang das Quotenlied, das ein Mann für siegeschrieben hatte“, erinnert sich Lisa Fitz an die Anfänge ihrer Karriere als Kabarettistin in der Münchner Lach- und Schießgesellschaft. Fitz trifft mit ihrem Programm den Zeitgeist, spricht dem Publikum aus der Seele. Mit ihren angriffslustigen Liedern und scharfzüngiger Direktheit löst sie bei der Zuhörerschaft nicht nur Heiterkeit, sondern auch Nachdenklichkeit aus. Immer wieder bedient sie sich treffender Zitate bekannter Persönlichkeiten. Gespickt mit passenden Hits bekannter Bands wie der Beatles, ging es auf Zeitreise: „Auf noch mehr Nummer 1-Hits können in Deutschland nur die Amigos zurückblicken.“ Das sage mehr über Deutschland aus als „die ganze dilettantische Corona-Politik“. Das seien noch Zeiten gewesen, in denen der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß Künstler und Journalisten als „Ratten und Schmeißfliegen“ beschimpft und den „Spiegel“ als ein „Scheißhausblatt“ betitelt habe. „So zwielichtig Strauß als Mensch und Politiker war, aber auch stockbesoffen hat er noch ein intelligenteres Interview gegeben als Karl Lauterbach stocknüchtern“, sagt die Fitz. Mit Pfiffen belohnt wurde der weise Satz: „Es war die Art zu allen Zeiten, Irrtum statt Wahrheit zu verbreiten.“
Im zweiten Teil wurde es ernst bei der großen Frage: Wo gehen wir hin, als Deutschland und als Menschheit? „Früher war es lustiger“, davon war auch das kopfnickende Publikum überzeugt. „Die Roboterisierung schreitet voran, dank Alexa von Amazon, der alten Stasibraut. Mein Gott, dass die Honeckers das nicht mehr erleben können“, so die Kabarettistin. Vor allem die Politikerriege als „finanziell abgesicherte Dauerschwätzer“ bekam gehörig ihr Fett weg. Auch ihre Meinung zur Emanzipation habe sich über die Jahre verändert. „Die Frauen retten uns nicht“, steht für die Ikone fest. Für ihren Kommentar „Kultur ist nicht systemrelevant“ ist die Ex-Kanzlerin bei Fitz in tiefe Ungnade gefallen. „Der Satz gehört ins Guinnessbuch der Rekorde als dümmster Satz des Jahrhunderts.“ Und „hirnlos gegen eine Atommacht pöbeln, mit Putin, der besser deutsch spricht als die Außenministerin selbst“, sei wohl kein gutes Aushängeschild für Deutschland, befindet Fitz. Aber auch die politische Männerwelt kam nicht besser weg. Anton Hofreiter bezeichnete sie als pausbäckige Aggression. „Der schaut aus wie Jesus Christus in der Mauser. Und Christian Lindner habe „Glücksgefühle, wenn er den Porsche mit der Hand wäscht, wahrscheinlich mit dem Waschlappen von Kretschmann“. Lisa Fitz prophezeit „Später werden wir sagen: Waren das noch Zeiten, noch keine künstliche Intelligenz, nur natürliche Dummheit.“ Trotz schweren und doch so brisanten Themen und neben einem lachenden und manchmal auch weinenden Auge – das Publikum belohnte die Kabarettistin mit nicht enden wollendem Applaus. Auch Sylvia Wolf (58) aus Schweina war begeistert: „Eine tolle Frau. Das Programm war einfach klasse und spricht mir aus dem Herzen.“ Und: „Einfach super, die Frau, sie spricht das aus, was viele denken und sich nicht trauen, es zu sagen“, schwärmte Gabi Barsties (59) aus Bad Liebenstein. Ein letzter Satz von Lisa Fitz: „In diesen Zeiten muss man jedem Veranstalter die Füße küssen, dass er weitermacht.“
Mit freundlicher Genehmigung der Südthüringer Zeitung
Artikel von Sibylle Bießmann