Bei der Berlin-Premiere ihres neuen Programms teilt die 72-Jährige in alle Richtungen aus – und nimmt die Ampel-Koalition ins Visier
Das Empörungslevel von Lisa Fitz ist hoch. Da muss sie nur an die Ampelkoalitionäre denken. Nicht, dass die anderen Parteien im Bundestag bei ihr besser wegkämen. Die Kabarettistin hat sich allerdings dafür entschieden, sich nicht tagtäglich darüber aufzuregen, weil sie sonst eine Emotionsdilettantin wäre. Obwohl ihr schon beim bloßen Anblick vom Hofreiter Toni die Hutschnur hochgeht. Er sei der einzige Mann, den sie am liebsten bitten würde, zum Friseur zu gehen. Seine Verzweiflungsfusseln machen sie nämlich richtig aggressiv. Sie selbst hingegen versteht es, einen Wow-Auftritt hinzulegen. Mit 72 Jahren bestens in Form, trägt Lisa Fitz bei der Berlin-Premiere ihres neuen Programms „Avanti Dilettanti“ in den Wühlmäusen ein figurbetontes Kleid zu roten High Heels. Sie kündigt aber auch umgehend an, dass sie keine Ahnung habe, wie lange sie auf den Mörderabsätzen durchhält. Es werden stattliche 53 Minuten. Aber wer braucht schon ein perfektes Outfit, wenn man das Publikum stattdessen mit satirischem Furor fesseln kann. Zunächst einmal klärt Lisa Fitz, was es mit dem Begriff „Dilettant“ auf sich hat. Darunter versteht man jemanden, der sich aus Liebhaberei der Kunst oder einem Thema seiner Wahl widmet, ohne eine fundierte Ausbildung dazu absolviert zu haben. Lisa Fitz ist der Überzeugung, die Zahl dieser stümpernden Amateure sei zuletzt sprunghaft angestiegen. Um die Gefahr, die darin liegt, zu untermauern, zitiert sie Friedensaktivistin und Anarchistin Emma Goldman: „Das gewalttätigste Element der Gesellschaft ist die Unwissenheit.“ Völlige Ahnungslosigkeit, gepaart mit unseliger Meinungsstärke in den sozialen und sonstigen Medien, konstatiert die Satirikerin etwa, wenn man protestierenden Bauern unterstellt, rechtsextrem und von Putin unterwandert zu sein. Von da aus ist es für Lisa Fitz nur ein kurzer Weg zur Regierungspolitik und ihren Akteuren ohne nennenswerte Ausbildung. Die bezeichnete sie bereits 2019, also zu Zeiten der Großen Koalition, als „holprige Dilettantentruppe“. Was sie von der Ampelkoalition hält, traut sich die Satirikerin zunächst gar nicht zu sagen. Denn schließlich gibt es ja den Paragrafen 188, der ihr mit massiven Strafen droht, wenn sie Politiker beleidigt. Eine Aussage, die sie einfach stehen und wirken lassen muss. Jeder im Saal weiß, dass unter anderem Robert Habeck davon jüngst Gebrauch gemacht hat. Das Gebaren der heutigen Politiker nennt Lisa Fitz feudalherrschaftlich, ihre Kabarettkollegen bei den öffentlich-rechtlichen Sendern staatstragend und Journalisten wirft sie vor, einseitig zu berichten. Damit spricht sie dem Publikum aus der Seele, denn es gibt immer wieder spontanen Applaus. Dafür musste sie aber bereits mehrfach den Vorwurf der populistischen Hetze einstecken. Wohl auch deshalb stellt die Kabarettistin diesmal klar, dass sie selbst lange Jahre SPD-Mitglied und Feministin der ersten Stunde war. Sie selbst sehnt sich zurück nach Politikern wie Helmut Schmidt, die noch etwas wirklich Substanzielles zu sagen hatten. Und sie verweist darauf, dass Franz Josef Strauß seinerzeit Sätze rausgehauen hat, gegen die sich Donald Trump ausnimmt wie ein Waisenknabe. Womit sie deutlich macht: Die Grenzen des Sagbaren haben sich mittlerweile in alle Richtungen verschoben. Sogar auf der Kabarettbühne, auf der eigentlich alles erlaubt sein sollte.
Mit herzlichem Dank an die Berliner Morgenpost, Juli 2024 – Artikel von Ulrike Borowczyk