mit Dank an die Redaktion
Altenstadt(im). Dass ihre Witze nicht geflüstert sein würden, konnte man sich vorab denken: Wie ein Erdbeben rauschte Lisa Fitz durch das Bürgerhaus Waldsiedlung, bürstete mit ihrem neuen Programm „Flüsterwitz“ lang sämtliche Klischees und Oberflächlichkeiten der Zeit gegen den Strich, tobte und teilte aus, sang, provozierte, parodierte und rezitierte, dass es eine wahre Pracht und geistig herausfordernde Freude war. Am Ende nahm die gleichermaßen authentisch wie alterslos daherkommende Ausnahmekabarettistin die verdienten Standing Ovations des Saales entgegen.
Selbstironie und bayerischer Witz
Anschließend musste das begeisterte Publikum sich nach zwei Stunden Gehirngewitter erkennbar erst einmal sortieren: „Das müsste man sich jetzt nochmal von vorn anhören, um alles mitzubekommen.“ „Darüber sollte man eigentlich sofort diskutieren“, war beim Hinausgehen aus der Menge zu hören.
Im Bühnenbild umrahmt von Picassos Friedenstaube im Großformat und einem Krieger mit Maschinenpistole, hatte die geborene Münchnerin und jetzige Wahl-Niederbayerin inmitten einer wahrlich zerrissenen Zeit und Gesellschaft vor allem die Mechanismen der Volksverdummung aufs Korn genommen. Darunter seichte TV-Formate, Widersprüche zwischen offiziellen Friedensbekundungen und reellen Waffenexporten in Krisengebiete – „Wie kann man sagen: Wir müssen die Fluchtursachen bekämpfen! Wir bomben uns die Flüchtlinge herbei!“ Aus einem anderen Mund wäre so viel Moral einen ganzen Abend lang möglicherweise kaum erträglich, bei Lisa Fitz jedoch entpuppt sich jeder Satz als Herzensanliegen, das eine wundervolle Melange mit bayerischem Mutterwitz, spiritueller Tiefe, ungebrochenem Kampfgeist und einer ordentlichen Portion Selbstironie eingeht.
So outet sie sich selbst als Zuschauerin von TV-Verkaufssendungen – „Consumo, ergo sum“ -, als Verunsicherte zwischen Fakten und Fakes sowie als manchmal von der Demokratie Erschöpfte: „Demokratie muss man aushalten. Mir wär’s am liebsten, alle wären meiner Meinung“, bekundet das Multitalent augenzwinkernd, greift sich ihre bunt bemalte Gitarre „La Florentina“ und röhrt, flüstert und intoniert wahlweise „Und trotzdem hab i manchmal Angst“, „Die weißen Tauben sind müde“ oder „Revolution liegt in der Luft“.
Über die Grenzen hinaus
„Früher hatte ich Angst vor der Dunkelheit – heute hat die Dunkelheit Angst vor mir“, konstatiert die Mutmacherin und man glaubt ihr aufs Wort, verkehrt sie doch das sanfte „Kinder, Küche, Kirche“ der 50er-Jahre-Frau in ein robustes „Find him – Fuck him – Forget him“ von heute und konstatiert obendrein: „Die Emanzipation der Frau ist für mich erst dann vollendet, wenn der Mann verschleiert zwei Schritte hinter seiner Gattin daherkommt.“
Die Pointe spricht Bände: Lisa Fitz scheut weder Grenzen noch Konventionen, tritt nach rechts und links aus, auch nach oben, indem sie bei Gott anfragt, ob er Urlaub genommen habe oder an Burnout leide.
Nur das „Unten“, die Schwachen, Alten, die Kinder, Musiker und Poeten, wird grundsätzlich verschont, höchstens mit viel Herzenswärme skizziert. So in der Szene im Wartezimmer des Arztes, in dem sich unverhofft zwei dunkelhäutige Patienten, ein Neonazi mit Glatze und Springerstiefeln sowie eine betagte Seniorin vereint finden. Eisiges Schweigen herrscht rundum, bis die alte Dame dem Skinhead schließlich begütigend zuspricht: „Gell, mein lieber Bub, du hast’s grad auch nicht einfach: Erst die Chemo – und jetzt auch noch die orthopädischen Schuh.“ Derart erfrischend erheitert lässt sich auch das Permanent-Gehirnjogging dieses Abends bestens verkraften, zumal Fitz ganz bewusst mit gesanglicher Wellness und purem Nonsens abschließt: „Das Kamel“, ein Text ihres Vaters Walters Fitz auf den Welthit „Caravan“, transportiert die begeisterte Zuschauerschar sanft durch die Wüste und in den Abend der Waldsiedlung hinaus.
Quelle: Wetterauer Zeitung, Artikel von Inge Schneider, Foto: Inge Mueller